telegraph 3/4/98
Schwerpunkt
AUSLÄNDERINNEN UND AUSLÄNDER UND DIE STAATSPOLITIK DER DDR
von Dirk Teschner
Die DDR war nie ein offenes Aufnahmeland
gewesen. Im Gegensatz zum außenpolitischen Internationalismus wurden Ausländer
größtenteils als Arbeitskräfte ins Land geholt. Abgeschirmt lebten sie in Wohnheimen,
gezwungen zur Anpassung an die DDR-Gesellschaft.
Den Anfang mit dem Einsatz ausländischer
Arbeitskräfte innerhalb der RGW-Staaten machten die CSSR und die Sowjetunion im Jahre
1957. Damals erklärte sich die Sowjetunion bereit, zur Urbarmachung von Gebieten in
Kasachstan 15 000 Arbeiter aus Bulgarien zu übernehmen, die damals keine Arbeit in ihrem
Land finden konnten.
Gleichzeitig wurden in den Medien die
Lebens- und Arbeitsbedingungen der Gastarbeiter in den westeuropäischen Ländern
verurteilt. Vor allem, daß ihnen keine volle Gleichberechtigung mit den deutschen
Arbeitern gewährt wurde, daß sie nur die Arbeitserlaubnis für einen bestimmten Betrieb
besaßen, sie nur niedrige Arbeit durchführten und in Gemeinschaftsunterkünften leben
mußten. Die Medien der DDR reagierten auf solche Entwicklungen ungewöhnlich hart. Im
Berliner Rundfunk ertönte es damals: "Die Gastarbeiter müssen in einem Land
Verdienst suchen, um sich ihre und der ihren Existenz zu sichern. Hier prägt sich ein
nationalsozialistischer Zug aus, den wir aus der Vergangenheit nur zu gut kennen.
Unterdrückung, Ausbeutung anderer Völker, Rassenhaß und Herrenmenschentum.
Letztendlich ist aber auch in der DDR genau
das eingetreten, wovor DDR-Institutionen in den 50er Jahren gewarnt haben, als sie die
damalige Nichtaufnahme von ausländischen Arbeitern begründeten.
Denn zur gleichen Zeit verließen immer
mehr Menschen die DDR Richtung Westen. Im Jahre 1960 waren es ca. 200 000 DDR-Bürger.
Nach der Grenzsperrung am 13. August lag bis zum Jahre 1988 die jährliche Rate der
Flucht- und Übersiedlungsbewegung bei ca. 20 000 Personen. 3,5 Millionen Menschen
verließen insgesamt die DDR zwischen 1949 und 1989. Die Flüchtlingsbewegung 1960/61, wie
auch die angestrebte Steigerung der landwirtschaftlichen und industriellen Produktion, von
Walter Ulbricht auf dem VI. Parteitag der SED im Jahre 1963 verkündet, und die
etappenweise Einführung des "Neuen ökonomischen Systems" ab 1964, leitete in
der "Gastarbeiterfrage" einen "Umdenkprozeß" in den Partei- und
Regierungsinstanzen ein.
Im Jahre 1965 wurden erstmals 700 polnische
Arbeiter und Techniker am Bau der Ölleitung zwischen dem Rostocker Hafen und dem
Erdölverarbeitungswerk in Schwedt und Leuna II eingesetzt. Danach wurden polnische
Arbeiter für Arbeiten bei der Reichsbahn und dem Bau der Hochöfen in Eisenhüttenstadt
geholt. In der Mehrzahl der Fälle erfolgte dies im grenznahen Gebiet, so daß keine
Unterbringung notwendig wurde. Zwischen der DDR und der VR Ungarn wurde im Jahre 1967 ein
Abkommen über die Tätigkeit ungarischer Arbeiter in Betrieben der DDR unterzeichnet. Das
Abkommen regelte, daß während fünf Jahren insgesamt 16 000 ungarische Arbeiter zum
Arbeitseinsatz in die DDR geschickt wurden.
Im Jahre 1977 waren insgesamt 50 000
Arbeiter aus dem Ausland in der DDR. Diese Zahl erhöhte sich um weitere 50 000 im
folgendem Jahr, darunter waren auch 18 000 Arbeiter aus Algerien, die aber bald wieder von
ihrer Regierung, aufgrund sozialer Spannungen und Ausschreitungen, denen sie ausgesetzt
waren, nach Algerien zurück geholt wurden. Ende der 70er Jahre wurden dann
Regierungsabkommen über den Einsatz ausländischer Arbeitskräfte mit Vietnam,
Mocambique, Angola, Kuba und China geschlossen. Weiterhin lebten in dieser Zeit eine nicht
näher bekannte Anzahl von chilenischen politischen Flüchtlingen in der DDR, die eine
privilegierte Sonderrolle einnahmen. Sie hatten Privatwohnungen, konnten in ihren Berufen
weiterarbeiten und verfügten über eigene Treffpunkte, eigene Clubs. In den 80er Jahren
lebten auch einige hundert Menschen aus Libyen, Nordkorea, Kamerun und dem Irak in der
DDR.
Die weitaus größte ausländische Gruppe
auf dem Territorium der DDR bildeten aber die Angehörigen der sowjetischen Streitkräfte
mit 380 000 Soldaten und Offizieren und ihren 200 000 Familienangehörigen. Im letztem
Jahr der DDR lebten offiziellen nach Staatsangehörigkeit aufgeschlüsselt: aus Vietnam 60
100 Personen, aus Polen 51 700 Personen, aus Mocambique 15 500 Personen, aus Ungarn 13 400
Personen, aus Kuba 8 000 Personen, aus Angola 1 400 Personen.
Die bilateralen Abkommen zwischen der DDR
und den Vertragsstaaten enthielten eine ganze Reihe von repressiven Vereinbarungen, die
die Voraussetzung für die Einreise der Kontraktarbeiter darstellten, wie
z.B:Abführung von 12% des Lohnes in die Heimatländer, strenge Kontrollen durch
DDR-Behörden und Botschaften, keine Familienzusammenführung, Abschiebung im
Schwangerschaftsfall oder Zwangsabtreibung, Abschiebung bei politischer Betätigung, keine
Mitgliedschaft in Vereinen und in Parteien der DDR, Zwangsmitgliedschaft beim FDGB und
Bezahlung von Mitgliedsbeiträgen. Genau festgelegt waren auch die Wohnbedingungen. Die
gemeinsame Unterbringung ausländischer Arbeiter in Wohnheimen war obligatorisch. Dabei
sollte die Monatsmiete pro Arbeiter 30 Mark nicht überschreiten und die vereinbarte
Wohnfläche mußte wenigsten 5 qm pro Person betragen. In einem Raum durften 4 Personen
leben, denen eine Kochgelegenheit, sowie Besteck und Kochgeschirr zur Verfügung gestellt
wurde. Frauen und Männer lebten in getrennten Unterkünften.
Selbst diese unzumutbaren Bestimmungen
wurden nicht immer eingehalten. Wohnheime wurden überbelegt und gelegentlich mußten sich
bis 40 Personen 5 Kochstellen teilen. In den Unterkünften gab es für Besucher
Anmeldepflicht und in einigen Fällen auch Ausweispflicht. Es wurden nächtliche
Kontrollen durchgeführt. Die Heimleitung besaß Schlüssel zu allen Räumen, und konnte
diese jederzeit durchsuchen.
In den 80er Jahren erhielten ausländische Kotraktarbeiter,
im Gegensatz zu den Jahren zuvor, seltener eine Berufsausbildung. Auf ihre soziale und
familiäre Situation wurde keine Rücksicht genommen, sie hatten praktisch kein Recht, in
der DDR eine Familie zu gründen. Sie waren auf den Gebrauchswert als Arbeitskraft
reduziert worden.
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