Wo war dein erster Kontakt mit Punk?
Speiche: Ja, wie bin ich dazu
gekommen? Schwer zu sagen. Härtere Musik habe
ich schon vorher gehört. Heavy Metal und so. Und irgendwann 1980 bin ich mal mit
der Straßenbahn gefahren und da habe ich das erste Mal in meinem Leben Punker
gesehen. Das waren ziemlich viele und ziemlich
große und auch ziemlich alte Punker. Für
mich wenigstens, ich war ja erst 17 und habe in Grünau gewohnt. Und die habe ich dann
halt auf dem Weg zum Mecklenburger Dorf getroffen. Da habe ich die ersten Punker
getroffen. Und die haben sich über uns lustig
gemacht, weil wir Kiss gehört haben und das
ganz laut. Und die sind eben auch zum Mecklenburger Dorf gefahren. Irgendwie haben
die dann nach einer Weile Stress gekriegt, mit irgendwelchen Leuten. Und da waren die
in der Unterzahl. Da haben wir denen dann geholfen, weil sie in der Unterzahl waren
und haben uns eingemischt und haben uns dann praktisch mit denen verbrüdert und uns
da rumgeprügelt. Aber da mussten wir dann
bald abhauen, weil dann irgendwie immer mehr andere Kunden kamen und wir waren
dann noch mehr in der Unterzahl, weil die sich
alle bei den anderen eingeklinkt haben. Da sind wir dann alle abgehauen, in die
Straßenbahn und sind wieder zurückgefahren. Da
mußten wir uns einfach mal verpissen.
Mecki-Dorf war eben immer umstrittenes Gebiet. Mal so, mal so. Das wusste ich aber zu dem
Zeitpunkt noch gar nicht.
Und auf dem Rückweg, habe ich dann
von einem ein Tape gekriegt. Und da habe ich dann Punk gehört. Ein, zwei von denen
hatte es ein bisschen schlimmer erwischt und da
sind wir dann erst mal zu mir gefahren und haben den verarztet. Einer hatte da ein
gebrochenen Finger, vom Zuhauen - und dem haben
wir einen Verband gemacht und uns gekümmert. Die Leute waren alle aus Friedrichsfelde,
Königs Wusterhausen, Umland und so. Einer war sogar aus Bohnsdorf, das war ja praktisch
um die Ecke von mir. Mit dem habe ich mich dann wiedergetroffen und dadurch habe ich
dann die ganzen Bohnsdorfer Leute kennengelernt, die so punkmäßig rumgelaufen sind.
Und dann hatte ich auch bald ein Jackett, was bemalt wurde und habe mir die Haare
geschnitten und gefärbt und hochgestellt. Und dann sind wir zusammen rumgelaufen.
Gab es damals schon Punkkonzerte?
Ja, ja Keks hat da schon ab du zu gespielt.
Das war so ´83. Und Keks war ja eine
eingestufte Band, und hat aber Punksachen gespielt.
Wo dann jeder Pogo getanzt hat. Na ja, und draußen in Bohnsdorf waren Punker auch
nicht immer gerne gesehen und dann gab´s
immer mal Prügeleien zwischen den normalen Jugendlichen und den Punkern. Aber mit der
Zeit haben die dann unsere Clique
akzeptiert. Also die Leute, die aus Bohnsdorf kamen,
oder aus Grünau, oder Altglienicke, die hatten
dann ihre Ruhe und konnten auch immer ein paar Leute mitbringen. Und hatten immer
ihren eigenen Tisch. War o.k. Und mit der Zeit bin ich auch immer mehr in die Innenstadt
gefahren und habe immer mehr Punks kennengelernt. Und immer musste ich mich
durchsetzen. Und dann gab es auch immer mehr Konzerte. In der Samariterkirche, bei
Pfarrer Eppelmann. Und 1981 - im Kultursaal von
der jugoslawischen Botschaft. Da haben die Cocks gespielt. Das war eine jugoslawische
Punkband, die hier in Berlin gewohnt haben. Alles Botschaftskinder. Und dazu gab es dann
schon irgendwelche Support-Bands aus dem Ostberliner Underground. Wie Planlos oder
Unerwünscht oder Tapetenwechsel oder was es damals alles so gab. Oder irgendwelche
Bands, wo ich den Namen gar nicht erfahren habe. Die haben ein- oder zweimal gespielt
und dann haben die sich schon wieder umbesetzt und wieder eine neue Band gegründet.
Und dann gab es eben immer mehr Stress auf der Straße. 1981 haben mich dann auch die
Bullen mal hops genommen und mir den Iro abgeschnitten. Und dadurch fing ich dann
auch langsam an, den politischen Hintergrund zu raffen. Da haben sie mich direkt aus der
Straßenbahn geholt. Da bin ich von Grünau
in meine Bäckerei nach Köpenick gefahren.
Und da haben sie mir meinen Iro abgeschnitten und mich auf die Fresse gehauen. Meine
Kollegen haben mich aber unterstützt und eine
Beschwerde gemacht und dann mussten sie sich sogar entschuldigen. Das war also meine
erste Begegnung mit den Bullen. Die war schon ziemlich strange. Das ging mit denen
irgendwie immer ab. Ausweiskontrollen, egal wo du hin willst. Manchmal sogar in deinem
eigenen Ort, wo sie dich kennen drei bis viermal
am Tag. Jeder Bulle hatte anscheinend den Auftrag deinen Ausweis zu kontrollieren. So kam es mir wenigstens vor. Das zog sich bis in
die Innenstadt hin. Egal wo du aufgetaucht bist,
in Plänterwald, am Bahnhof oder am Alex. Kaum hast du irgendwo gesessen und mit ein
paar Leuten Bier getrunken, kamen sie an: "Mal
die Ausweise bitte!" Das war schon massiv.
Dann ging das mit Kirchens los.
Pfingstkirche am Kottikowplatz war der erste Punkttreff.
Da gab es mal ´81 so einen Winter lang Räume,
wo man sich treffen konnte. Da gab es also schon Verbindungen mit der Kirche.
Weil es keine andern Räume gab,
wo man hin konnte?
Alles andere war immer unsicher. Ob du
jetzt nach Neuzittau oder Gosen gefahren bist oder in den Spreewald. Egal in welche
Diskothek - es gab einfach total oft Ärger. Entweder
mit der Ordnungsgruppe. Oder mit den Leuten, die sich in dem entsprechenden Clubs als
die Kings aufgespielt haben. Zum Beispiel in so einem Dorfclub wie Schöneiche, wo
sich eigentlich nur Kunden getroffen haben. Solche Dorfkunden. Und wo es sowieso
immer Prügeleien gab. Wenn du da mit 15
Punkern gekommen bist, warst du verloren. Wenn du mit 50 da warst, ging es einigermaßen.
Wie waren denn sonst die
Reaktionen?
Total unterschiedlich. Da gab es
wirklich unterschiedliche Reaktionen. Das gab
Leute, die mich trotzdem noch gegrüßt haben.
Oder das sogar ganz lustig fanden. Vor allem mit
dem politischen Hintergrund, wenn sie mitgekriegt haben, was da dahinter steckt. Aber es
gab auch Leute, die haben die Straßenseite
gewechselt und dich nicht mehr gekannt. Oder ihre Kinder weggezogen, wenn du da
lang kamst. Meine Mutter fand das irgendwie auch nicht schön. Sie hat aber dann einen
Haufen meiner Punkkumpels kennengelernt und mitgekriegt, dass die alle ganz in Ordnung sind. Auch bei der Hausdurchsuchung hat sie sich echt cool verhalten.
Hausdurchsuchung?
Ja, ich hab mal eine Hausdurchsuchung
gehabt, weil ich wegen einer Sprühaktion verdächtigt wurde. Die wir auch gemacht haben.
Was habt ihr gesprüht?
Unterschiedliche Sachen. In Grünau so
Anarchie-Parolen. Sex Pistols und Nina Hagen. Einer hat gesprüht "Revolution gegen
die Bullengesellschaft" - und zwar direkt
gegenüber vom Bullenrevier. Die haben
natürlich gleich die üblichen Verdächtigen
mitgenommen, aber irgendwie haben sie es nicht geschafft, uns zu überführen, und da haben
sie uns dann wieder laufen lassen. Drei, vier Monate später haben sie uns dann ganz
unerwartet nochmal eingesackt und haben uns in die Keibelstraße gefahren. Da mussten
wir dann alle was schreiben und dann haben sie einen Schriftvergleich gemacht. Und
dann haben sie gesagt: "Paß mal auf, wir haben
hier eine Schriftprobe. Ihr wart das und zwei von Deinen Kumpels haben schon
gestanden". Am Ende haben dann drei ein
Ordnungsstrafverfahren gekriegt und der vierte hat
eine Bewährungsstrafe und angedrohte Haft bekommen. Mir fällt da gerade noch eine
Geschichte ein, wo mich die Bullen mal verhaftet haben. In Stralsund. Da sind wir zum
Fußball gefahren, zu Union. Und da habe ich
mir vorher mit Latexfarben die Haare
Rot-Weiß gemacht und hochgestellt. Am Einlass
hatte ich noch eine Mütze auf. Im Stadion habe
ich die dann abgenommen. Und kaum hatte ich die ab, kamen sofort vier Hilfsbullen und
drei richtige Bullen am Arsch, die mich dafür
erst mal abgeführt haben. "Störung
sozialistischen Zusammenlebens" und
"Herabwürdigung" habe ich dafür gekriegt. So eine
Geschichte gab es immer.
Oder man ist bei Partys rausgeholt worden, aus der Wohnung. Einmal mit 60 Punkern,
haben wir eine Wohnungsparty gefeiert. Da sind dann die Bullen reingestürmt mit 30
richtigen Bullen und 30 FDJlern mit Armbinden, mit Knüppeln bewaffnet. Die haben dann auf
alle Leute eingeschlagen. Dann wurden alle an die Wand gestellt und haben gleich die
goldene Acht gekriegt. Auf dem Revier wurden
wir dann stundenlang drangsaliert
Was hat Dich eigentlich an der
ganzen Szene gereizt?
Was mich an Punk immer fasziniert hat,
war, dass die Leute schockiert waren. Die konnten damit immer nichts anfangen und haben
das dann hinterfragt. Und dadurch ist es dann zu ganz tiefen Gesprächen gekommen.
Gerade mit älteren Leuten, die den Krieg noch
miterlebt haben. Die haben Dich gesehen, waren schockiert und haben dann aber nach
einer Weile angefangen, mit Dir zu reden.
Das war ein Prozess, der mir selbst auch
erst später richtig klar geworden ist. 1988 habe
ich mal ein Jahr auf der Pflegestation im Altersheim gearbeitet. Am Anfang konnte mich
da gar keiner knacken. Aber mit der Zeit habe ich dann mitgekriegt, dass die Leute sich
genähert haben. Und darum geht es eigentlich bei
Punk. Du bist als Punk einfach auch ein Stück
weit Dreck. Und wenn irgendjemand was von dir will, muß er an Dich herantreten und
den Abstand überwinden und einen Weg zu Dir finden. Sie müssen einfach beginnen, zu
hinterfragen, wo denn der Haß und der Frust herkommt. Und wo die Gegenposition,
die Du zu dieser Gesellschaft und diesem Staat einnimmst, herkommt. Warum hast Du
ein Anarchie-Zeichen auf dem Rücken? Was denkst Du über Anarchie? Was willst
Du damit erreichen?
Du warst doch eine Zeit lang
regelmäßig bei Union Berlin?
Ja, mit dem Fußball ist es einfach so. Also Fußball ist für mich eine viel ältere
Geschichte als Punk gewesen. Ich bin als Kind schon
zu Union gefahren und habe da alles kennengelernt. Ich war dort immer der Jüngste, der
auch mit auswärts gefahren ist. Dort war ich mit
den ganzen Großen zusammen, die alle 10-15
Jahre älter waren als ich und alle schon
mehrere Vorstrafen wegen Körperverletzung
hatten. Die immer zum Fußball gegangen sind
und viel Spaß hatten und dabei eigentlich
eine Anti-Haltung ausgedrückt haben. Die hat
sich zwar oft ziemlich einseitig gegen die DDR gerichtet, aber nicht nur. Darunter gab
es immer auch eine ganze Menge Freaks, die mit der Friedensbewegung im Westen
geliebäugelt haben. Mitte der 80er gab es dann
auch vereinzelt schon Nazis beim Fußball -
aber eben kaum bei Union. Die Mehrheit im Stadion waren da ganz klar irgendwelche
Langhaarigen, Assis und Punker. Vielleicht
ähnlich, wie heute bei St.Pauli. Union, das hatte
irgendwie eine dreckige Aussage früher. Unioner zu sein, dass war nicht nur
Fußballfan, sondern irgendwie mehr. Dass die
Rechten bei Union eine Rolle gespielt haben, das
gab es erst so seit 1987. Und das war dann die
zeit, wo ich auch ausgestiegen bin. Als mir dann beim Überfall in der Zionskirche
plötzlich Leute gegenüberstanden, mit denen ich
vorher Sachen zusammen gemacht habe, beim Fußball.
Als Punk bei Union - das müssen
die Langhaarigen dort doch abartig gefunden haben. Wie haben die reagiert?
Klar, am Anfang haben sie drüber
gelacht. Aber mit der Zeit haben sie mitgekriegt,
dass ich irgendwie immer noch der Alte bin. Viele kannten mich ja schon vorher. Und
die wussten, dass ich immer mit dabei bin und Sachen mache und auch Sprüche gegen
den Osten anzettele. "Frieden schaffen, ohne Waffen" - mitten im Spiel. Und mit der
Zeit haben sie es dann akzeptiert. Aber sonst waren die meisten Union-Kunden nicht
unbedingt punkerfreundlich. Aber das hing auch mit
den unterschiedlichsten Sachen zusammen. Einmal einfach, dass es damals bei BFC
schon mehr Punker gab und dass die dann schon öfter Langhaarige von Union verprügelt
haben. Vor dem HdJT gab es da mehrfach Schlachten. Der BFC-Mob fing langsam
an, der harte Mob in Berlin zu werden. Und ab Mitte der 80er hatten sie dann einfach
die Vormachtstellung. Da sind dann viele Ex-Unioner rüber, die einen leicht rechten
Touch hatten oder eben extrem gewalttätig
waren. Und Union hat dann immer mehr abgebaut. Und das hat sich bis jetzt gehalten.
Und dann solle es ja bei BFC noch
so einen Sprechchor gegeben haben: "Speiche, Speiche, wir wollen
Deine Leiche"
Den gab es nicht nur bei BFC. Ich bin
seit meinen 13.Lebensjahr bei Union mitgefahren und hatte da ziemlichen Durchblick und
kannte alle Fanclubs. Und wenn dann mal irgendwo wieder irgendjemand einen Punk
verhauen hat, bin ich halt im Stadion hingegangen und habe mir die gegriffen.
Im Stadion. Ich konnte mir das leisten. Ich
bin da ran, habe denen auf die Fresse gehauen und niemand hat sich eingemischt.
Vielleicht ist das jetzt etwas
übertrieben. Aber das klingt so, als wäre
Deine Freizeit einen einzige Ansammlung von Schlägereien gewesen.
Auf jeden Fall. Auf jeden Fall ging es oft
ab. Ständig. Es ging z.B. so, dass wir uns bis
Mitte der 80er praktisch Duelle geliefert haben. BFCer und Unioner. Wir haben immer
nach einem BFC Spiel an der Greifswalder
Straße gewartet, weil dort viele BFCer wohnten,
und die dann verprügelt. Die sind
Greifswalder raus aus der Straßenbahn und haben gleich
auf die Fresse gekriegt.
Hat man sich da vorbereitet?
Unbewaffnet. Aber es waren schon ein
paar dabei, die gut boxen konnten. Und überhaupt: Die Leute die da hin gefahren
sind, hatten alle schon irgendwelche Erfahrung in Prügeleien oder waren aggressiv drauf.
Das ging jahrelang immer hin und her. So ein bisschen nach dem Racheprinzip. Ich
hab mich da jahrelang rausgehalten. Aber irgendwann hat es eben einen von meinen
Leuten erwischt. Eine Zeit lang war das so, dass wir
im Stadion der Weltjugend spielen mussten, weil die Alte Försterei renoviert wurde. Und
da haben sich auf dem Alex immer die BFCer getroffen, die SB-Clique und die haben
ein paar mal die Unioner, die da umsteigen
mussten, so richtig im größeren Stil überfallen. Da hat
es echt viele Leute erwischt, die man so kannte. Und ab da hat es sich immer mehr
hochgeschraubt. Und dann waren auch die Bullen immer mehr mit von der Partie. Da gab es
ein paar mal Festnahmen und zwei mal haben sie mich auch von zu Hause abgeholt, vor
dem Spiel. Wo denen klar war, es gibt einen Plan, wie die Schlacht nach dem Spiel ablaufen
soll und ich bin da irgendwie beteiligt. Das ging immer hin und her. Ein paar mal haben
die BFCer gewonnen. Aber einmal haben sie auf dem Alex auch richtig Dresche gekriegt.
Da mussten sie auch laufen, obwohl sie mit 200 Leuten da waren. Da sind mit der ersten
S-Bahn von uns nur ein paar Leute angekommen und wollten runter. Die haben aber
gleich gesehen, da sind zuviel und haben auf
Verstärkung gewartet. Dann kam die nächste
S-Bahn. In der waren nur die harten Kunden von Union drin. Der gesamte harte Kern. Alle,
die irgendwie prügeln konnten, sind da
ausgestiegen und runter. Da ging es dann unten ab
und die BFCer mussten laufen und haben ganz gut Prügel bezogen. Na ja, die BFCer haben
mich einfach gehasst. Deshalb haben sie auch
"Speiche, Speiche, wir wollen Deine Leiche"
gerufen. Die haben mich einfach gehasst. Weil ich Ihnen auch immer entkommen bin und
auch an vielen Aktionen beteiligt war, wo sie auf
die Fresse gekriegt haben. Und weil ich bei den Punks einen guten Ruf hatte. Die Größen bei BFC, Vogt und so, die kamen auch aus der Ost-Punkszene. Und die konnten das
überhaupt nicht haben, dass bei Union auch
Punker sind. Für die war Punk Protest und BFC
war Protest. Und Union war irgendwie kein Protest, das war für die so ein Hippie-Mob.
Die wollten härtere Sachen. Ich weiß nicht, ob
die damals schon straight rechts waren, aber irgendwie ging das schon in die Richtung
Kannst Du mal ein typisches
Wochenende beschreiben?
Das war nicht so, dass man sich verabredet
hat. Man hat sich halt getroffen. Und dann hat man den Konzerttermin erfahren. Oder du
hast einen Tag vorher erfahren, es wird ein
Konzert geben. Und alle waren dann an ihren Treffpunkten und einzelne Personen sind dann
zu den einzelnen Treffpunkten hin und haben Bescheid gesagt. Die waren am Alex, ein
paar haben sich am Wasserturm getroffen, ein paar haben sich im Mecki-Dorf getroffen, ein
paar waren am Plänterwald - und so gab es
lauter Treffpunkte und da hat man alles erfahren.
Ja, ein typisches Wochenende? Ich erzähl mal
ein bestimmtes. Wir sind zum Alex gefahren. Abchecken, wer da so da ist. Aus Grünau
sind die Zwillinge gefahren. Dann noch Skala, Abwärts und Icke und Katrin Kreisel
und noch zwei andere Punkfrauen aus der Ecke. Also wir sind von Grünau losgefahren.
Am Bahnhof hatten wir dann erst mal eine Ausweiskontrolle. War aber o.k. Und
Adlershof sind dann noch Putzi und Iro
dazugestiegen, in die gleiche S-Bahn wie wir. Da waren
wir also schon neun. Dann sind wir zum Alex gefahren. Und als wir die Treppen
runterkamen, kamen uns vier jugoslawische Punks entgegen, die wir kannten. Die meinten:
"Eh, Vorsicht. Da unten sind Bullen, die machen Ausweiskontrolle." Da haben wir gleich
die Richtung gewechselt und sind hinten raus und in Richtung Posthorn gelaufen. Vor
dem Posthorn standen dann auch schon 30 Punks, ein paar kannten wir, ein paar kannten
wir nicht. Da haben wir uns erst mal hingestellt und kurz mal Tag gesagt und ein paar
Flaschen Wein rumgereicht. Und da gab es auch
einen Bierstand, das war o.k.. Und dann kamen die Bullen mal gucken. Aber das waren nur
acht und da war klar, dass die nichts machen, weil wir zu viele waren. Dann kamen noch aus
dem Tutti-Frutti Leute, die meinten "eh wir
fahren in den Spreewald raus, da ist Party". Da sind
wir eben alle in den Spreewald raus gefahren. Also alle rein in die S-Bahn. Alle haben
Punklieder gesungen. Alle waren leicht angeheitert.
Alle gut drauf. Wir also Friedrichshagen raus und
- unten vor dem Bahnhof stehen zwei LKWs mit Bullen. Wir sehen die und sind gleich
über die Gleise weg. Die Bullen haben das gar
nicht gerafft. Die waren einfach zu blöd. Und
im Spreewald haben wir dann weiter gefeiert. Da gab es auch ein, zwei Prügeleien mit
der Security. Die waren echt dickköpfig. Das waren schon die alten Bekannten, die
immer eingesetzt wurden, wenn irgendwo Punker waren. Das waren Typen wie Rolf
Weber, und Peter Hensel. Das waren DDR-Kraftsportmeister. Dann gab es noch so einen Typ
aus Eichwalde, Lothar Nimz. Also mit der Zeit kannten wir die alle. Weil die immer
irgendwo aufgelaufen sind. Die haben uns ein paar
mal auf die Fresse gehauen. Aber ein paar mal haben die auch von uns auf die Fresse
gekriegt. Aber irgendwie hat sich das schon immer eingerichtet. Denn die wollten auch
keinen Krieg mit uns. Die wussten, irgendwann
können wir auch mit hundert oder zweihundert Leuten ankommen. Im FAS gab es eine
krasse Aktion, wo das richtig auseinandergenommen worden ist. Da sind mal ein paar Leute
von uns richtig krankenhausreif geschlagen worden und eine Woche später sind wir da mit 120
Leuten aufgetaucht und haben das klar
gemacht. So was hat ein paar mal funktioniert, ein paar mal ist es auch schief gegangen. Weil
die Bullen dann schon an dem S-Bahnhof standen, wo wir uns getroffen haben und
alle eingeladen haben. Auf jeden Fall haben wir aber auch im Langhans-Club mal
Bescheid gesagt, im FAS mal Bescheid gesagt. Auch
im Spreewald öfter mal. Und im
Plänterwald-Club, der war auch hart umkämpft. Also
jetzt nicht der Kulturpark, sondern die Kneipe. Im Kult haben die Ordner 1984/85 mal
versucht, die Order durchzusetzen, dass wir da
nicht raufkommen. Da gab es dicke
Schlägereien. Aber das war einfach klar, wir kommen
wieder. Wir geben die Location nicht frei. Und es wird immer wieder Stress geben, wenn die
uns da nicht rauf lassen, bis sich das irgendwann
auf das Geschäft auswirkt. Kult war bis Ende
der 80er so ein wichtiger Punkt. Das hat erst ein bisschen nachgelassen, als es dann auch
schon KvU und Erlöser gab.
Damit sind wir ja dann auch bei
der KvU und Erlöser angelangt. Das war ja nun schon etwas politisch. Wie
ist denn das entstanden und wie bist Du da hingekommen?
Ich habe spätestens seit meinem
17./18.Lebensjahr immer nach Wegen gesucht, mich
zu artikulieren. Bei Union hatte ich meinen Fanclub. Wir waren18 Leute, aber von den
18 Leuten haben es vielleicht vier oder fünf
richtig ernst gemeint. Das war mit einfach zu wenig. Und auch wenn Du Dich mit
den anderen Fanclubs getroffen hast, hast Du Dich gut verstanden und was gemacht.
Aber wenn es über Fußball hinaus ging, da wurde
es dann immer weniger. Und da war dann auch nie so ein Zusammenhalt da, wie unter
den Punks.
Erlöser war praktisch ein Nachfolger von
der Pfingstgeschichte. Da standen teilweise die selben Leute dahinter und es gab
praktisch auch ein paar Sozialdiakone, die zu uns
Freundschaft geschlossen hatten. Ich bin auch
immer nach Rummelsburg zu dem Mittwochstreff. Der hatte aber nicht viel mit Politik zu tun.
Aus der Mittwochsgruppe hat sich dann die Montagsgruppe abgespalten, die hat
versucht, politisch-inhaltliche Themen zu
bearbeiten. Wie Rassismus. Da gab es verschiedene
Vorträge. Es gab auch Leute, die sich mit
Literatur beschäftigt haben - da gab es Vorträge
über Erich Mühsam und Tolstoi. Das wurde
dann schon politischer. Und dann gab es auch die Mühsam-Ehrung, die jedes Jahr stattfand.
Es gab Leute die sind am Todestag nach Oranienburg zum Gedenkstein gepilgert und
haben dort Kränze niedergelegt und Gedichte
vorgelesen. Es war immer komplett überwacht - ein Klassiker war zum Beispiel der Mann
mit der Aktentasche, der stundenlang am Bahnhof rumgestanden hat und aus der
Aktentasche filmte. Oder das große
Richtmikrofon, was direkt aus dem Polizeirevier kam und
da war dann so ein Objektiv dran, dass du dachtest, dort oben wird der Mond erforscht.
KvU war ein Versuch, ein breiteres Bündnis
zu finden zwischen den unterschiedlichen Leuten. Das war so eine Art Vernetzung
zwischen Punks und Künstlern und
Schwulengruppen und Ausreiswilligen und
Nicht-Ausreisewilligen und Köpfen, die meinten, sie
wollen in unserem Land was verändern. Ich bin
zur KvU gekommen, weil die politische Gruppe in Erlöser für mich geschlossen war. Die
Punks aus Erlöser haben mir nicht vertraut.
Teilweise bis zum Ende der DDR.
Da gab es das Gerücht, daß Du IM bist.
Genau. Es gab lange Zeit Gerüchte, ich
wäre bei der Stasi. Heute weiß man aus den
Akten, dass das teilweise vom IM K.S. Schwarz,
also Imad Abdull aus Leipzig gestreut worden ist. Und von IM S. Erich, also von Bernd Hennig
- damals als Boris bekannt, der später
bei Wartburgs für Walter spielte. Dass also
Leute einen Auftrag hatten, mich in der Szene zu "outen" und meinen Ruf zu schädigen.
Weil ich eben die unterschiedlichsten Leute kannte und immer wieder Sachen auf die
Beine gestellt habe und eben DDR-weit Connections hatte. Zumal ich aufgrund meines
Outfits und aufgrund der Sachen, die ich gemacht habe, sowieso auf die DDR eingegrenzt
war. Ich konnte nicht in die Tschechoslowakei, ich konnte nicht nach Polen...
Heißt das, dass Du einen
Sonderausweis hattest?
Nein, ich hatte noch keinen PM12 -
zum Glück - wie viele sonst. Das war fast
üblich. Viele Punks hatten einen PM12. Und
manche hatten sogar einen 48er, sie hatten Berlin-Verbot oder sie durften nur in
bestimmte Bezirke. Manchmal ging das sogar so weit,
dass Leute einen 48er hatten mit Einteilung des Taschengeldes und Schlüsselrecht durch
den ABV und Besuch musste angemeldet werden. Subs, eine Punkfrau, ist ins Gefängnis
gekommen für eine Prügelei, wegen
Körperverletzung. Und dann haben sie ihr noch ´n
Assi rangehangen und auch Diebstahl - und als sie rausgekommen ist, haben sie sie
nach Watzendorf bei Leipzig verfrachtet und da hatte sie jahrelang "Kalte". "Kalte", das
heißt kalt von Berlin. Wie im Westen kalter
Entzug von Heroin - so hieß das bei uns
"Kalte". Wenn du Berlinverbot hattest, hattest
du "Kalte". Dann durftest du nur in
irgendwelchen Mischpoken-Dörfern wohnen, durftest nirgendwo mehr hinfahren, musstest
dich immer ab- und anmelden und warst von den Spießern aus der Nachbarschaft kontrolliert.
Also nochmal KvU. Die
Nachttopf-Veranstaltungen, das waren ein Gemisch aus
Leuten, die nicht unbedingt Punks waren. Irgendwelche Ökos, Kleinkünstler und andere. Die haben den Nachttopf gestaltet. Und
dabei habe ich immer mitgeholfen. Und dann habe ich auch Veranstaltungen mit vorbereitet.
Zur Friedenswerkstatt gab es eine Veranstaltung, die nannte sich Schwarz-Rotes Sofa. Ein
Happening mit Konzerten, Ausstellungen und Lesungen von Leuten, die alle keinen
öffentlichen Raum zur Verfügung hatten. Und
zu denen gehörten wir auch. Wir hatten keinen Raum, in dem wir selbstbestimmt etwas
machen konnten. Wir wollten einen Raum, in dem wir selbst bestimmen. Und das war
im Prinzip die Intention von der KvU. Im Zusammenhang mit dem Kirchentag 1987, haben
wir das erste Mal als "Kirche von Unten"
eine Besetzung angekündigt. Wir haben den ganzen Kirchentag über gestört, mit
kleineren Aktionen. Wir sind irgendwo aufgetaucht, haben Flugblätter von der Empore
geworfen, um darauf hin zu weisen, dass es uns auch
gibt. Darauf hin haben die einen Schreck gekriegt und uns die Schlüssel gegeben für
die Pfingstkirche. Und da hatten wir dann in den zwei Tagen einen Durchlauf von 15.000
Menschen. In zwei Tagen. Das war unser feedback!
Und dann habt Ihr die Räume
gekriegt. Was ist denn da dann so passiert?
Das hat ja ne Weile gedauert. Im
November 1988 haben wir Räume in der Berliner Elisabethkirchgemeinde endlich gekriegt.
Es war eigentlich nur eine Öffnung geplant am Sonnabend und ein Frühstück am
Sonntag. Und ich habe gesagt, o.k. ich mache den Freitag. Ich kümmere mich darum, dass
hier eine Bar steht und dass hier Musik ist. Und
da haben dann noch ein paar Leute mitgemacht, von denen war niemand direkt aus der
Punkszene. Und das war einer der einzigen
Alternativpunkte in Berlin, der freitags die ganze
Nacht auf hatte. Und das uferte sehr schnell aus,
so dass regelmäßig 200 Leute da waren. Das
war o.k. Das gab kaum Probleme. Alle Leute wurden eingewiesen, wie sie sich zu
benehmen hatten. Wenn Leute mal ausgeflippt sind
oder Scheiße gebaut haben, haben wir die auch
mal rausgeschmissen. Da haben sie eine Woche Verbot gekriegt. Aber das haben sie
meistens akzeptiert.
Kannst Du dich noch an die
Aubi-Phase erinnern, wo eine Zeit lang nur alkoholfreies Bier verkauft wurde?
Da gab es so eine Truppe Grufties, die
immer am Alex rumgehangen haben und auf Kleber waren. Die sind praktisch immer freitags
um neune angekommen und waren schon völlig fertig. Die haben regelmäßig Stress
gemacht, bis dann irgendwann keine Sau mehr gekommen ist. Die waren alle genervt. Da
mussten wir dann ein paar Monate alkoholfreies
Bier ausschenken, um die wieder los zu werden. Aber bis Leute sich das bei uns
verdorben haben, mussten sie sich schon wirklich
was leisten. Denn letztendlich war die Idee: so offen wie möglich - und so frei wie möglich.
Du musst das auch in dem Zusammenhang sehen, dass es seit 1987 so etwas wie
eine Öffnung der FDJ gegenüber
Mode-Punkern gab.
Du meinst, dass plötzlich auch
in Jugendclubs Punkgeschichten laufen konnten?
Das ging auf einmal ab. Im Schmenkelclub,
auf der Insel der Jugend, Tierparkclub, HdJT, das ging ab im Knaack, manchmal im Franz,
im Duncker oft. Und das waren irgendwie zwei Szenen, die so nebeneinander existierten.
Die meisten Leute, die in der KvU
gelandet sind, waren eben Leute, die nicht
überall reingekommen sind und die auch einen
bestimmten politischen Hintergrund hinter der ganzen Musik gesehen haben. Das gehörte
in der KvU schon fast zum Konsens, dass bestimmte eingestufte Bands hier nicht spielen dürfen. Da gab es auch Ausnahmen, die
spielen durften. Wie Die Firma, die spielen durften, weil sie den Geschmack aller
getroffen haben. Obwohl wir heute auch wissen,
dass von denen zwei bei der Stasi waren. Aber es gab auch Bands, mit denen wollte keiner
was zu tun haben, gerade von den "Anderen Bands".
Machen wir das doch mal an
einem Beispiel fest. Um die Skeptiker gab es doch viele Kontroversen, weil die
einen Fördervertrag von der FDJ gekriegt haben.
Da gibt es natürlich eine ganze
Vorgeschichte. Ich kann ja mal erzählen, wie meine
Erfahrung mit den Skeptikern ist: Ich habe die
Skeptiker kennengelernt im Zusammenhang mit Aufnahmen von Kein Talent, von Lord.
Also haben wir Aufnahmen gemacht. Dem Schlagzeuger von Skeptikern hat das
Grundstück gehört. Also erst mal hatten die wirklich
zwei Studios dort auf ihrem Grundstück. Und
haben uns das schlechtere gegeben. Da waren wirklich zwei Studios auf dem
Grundstück und ein Riesen-Haus, wo niemand drin
gewohnt hat. Was praktisch nur ein Partyhaus war. Und dann haben wir nach den
Aufnahmen hinterher Party gemacht mit denen. Und wir hatten uns ziemlich einen
angetrunken. Da kamen dann so Diskussionen auf, bei
denen ging es genau um das eine Thema: Einstufung oder Nicht-Einstufung. Und da
haben die gesagt zu Kein Talent: "Eh macht doch
mal Eure Texte ein bisschen netter. Macht das ein bisschen staatsfreundlicher. Dann kommt
ihr auch bestimmt damit raus." Und wir: "Bist
Du bescheuert, eh. Wir machen die Musik, weil wir Spaß haben und weil wir in
Bewegung sind und nicht, um uns zu arrangieren."
Ganz klare Aussage.
So war damals die Auseinandersetzung.
Damals haben die Skeptiker noch Südstaatenrock gemacht. Südstaatenrock! Nichts anderes! Ein halbes Jahr später haben die ihre
Band gegründet. Da habe ich die gesehen und
da hatten die doch zwei, drei Riffs echt geklaut, von den Aufnahmen. Und da waren
natürlich alle sauer.
Na klar gab es von diesen ganzen
"Anderen Bands" auch Sachen die o.k. waren,
auch wenn FDJ draufstand. Ich weiß doch
selber, wie das alles damals gelaufen ist mit Billy
Bragg, und mit den Neurotics und mit Attlilla and
the Stockbrokers. Und da waren wir auch immer präsent. Aber trotzdem war das nicht das,
was wir wollten. Und deswegen haben wir weiter unser Ding gemacht. Und wir haben
deshalb als Gegensatz dazu das Frühlingsfest in
der Erlöserkirche veranstaltet.
Aber gerade Erlöser! Du kannst
mir doch nicht erzählen, dass das für
den Großteil der Punks, die dahin gekommen sind, politisch war. Denen
ist doch die Politik voll am Arsch vorbei gegangen.
Aber da bin ich jetzt mal ganz streng. Das,
was von der Bühne kam, war politisch. Und ich sage immer noch: die uneingestufte
Geschichte, die da gelaufen ist, war die echte
Geschichte! Da gab es immer einen Konsens und der hieß Freiheit. Dass niemand das Recht
hat, Dich zu zensieren. Da ging es um Widerstand! Und das kannst Du auch an den Bands
sehen, die da gespielt haben. Active Minds z.B:
die kamen aus der englischen Anarcho-Veganer-Szene und haben immer in
anarchistischen Projekten gespielt, mit wenig Geld.
Oder SM70 aus Westberlin. Das sind Leute, die schon 1981 in Kreuzberg in der
Besetzerszene aktiv waren. Die haben gesagt: warum soll
ich denn auf irgendwelchen Riesen-Bühnen rumhopsen? Nee, wir wollen am Volk spielen
und Kommunikation mit den Leuten haben. Und das ist eben ein Unterschied: Ob ich Musik
für Geld mache oder ob ich Musik für eine Sache mache.
Was hast Du denn eigentlich in
der Woche gemacht? Wovon hast Du denn gelebt?
Ich habe in einer Bäckerei gearbeitet,
sieben Jahre lang. Dann habe ich eine kurze Pause gemacht und habe mich beworben um
einen Job, wo klar war, da suchen sie Leute. Das
war 1986/87 in einem Altersheim als Pflegekraft. Am Wahltag hatte ich dann immer frei
und durfte das Heim nicht betreten, weil sie
Schiss hatten, dass ich die Leute agitiere. Dann
habe ich nochmal aufgehört und ein bisschen
Urlaub gemacht, ein bisschen länger, als man durfte und mich nochmal um einen
anderen Job beworben. Ich habe mich umgehört
und habe zum Beispiel mal Fensterputzen bei
Bärbel Bohley gemacht, wofür sie mir eine
Quittung gegeben hat. Weil ich ja nachweisen musste, wovon ich lebe.
Die Bullen haben mich ab und zu
vorgeladen, "Zur Klärung eines Sachverhaltes", und
da haben sie dann immer genau wissen wollen, wovon ich meinen Lebensunterhalt
bestreite. Das musstest du immer sofort nachweisen können. Ansonsten war
Hausdurchsuchung angesagt. Aber ich war fit, und habe denen
das immer gleich vorher geschickt und dann nochmal angerufen. Da konnten sie mir auf
der Schiene nichts mehr. Und dann habe ich noch so eine 10 Mark -Versicherung
abgeschlossen und dann ging das auch klar. Und
irgendwann habe ich dann einen Job auf dem Bau von
der Zionskirche bekommen. Da habe ich dann unter der Leitung von Carlo Jordan und
Reinhard Schult gearbeitet. Da auf dem Bau waren zwei Langhaarige und der Rest waren
alles Punker. Dann haben sie versucht, mir mit der Steuer zu kommen. Aber das habe ich
auch abgelockt und habe genau aufgepasst, dass ich da nicht mehr als 600 Mark verdiene. Da
habe ich dann nebenbei irgendwelche Jobs gemacht. Mal beim Umzug geholfen. Oder später habe ich Siebdruck gemacht.
Alf-T-Shirts haben wir da gedruckt, allein in der
Lychener gab es 11 Leute, die Alf gedruckt haben.
Das erste mal bin ich mit 200 T-Shirts zum Verkaufen gefahren. Da dachte ich, o.k. 200
T-Shirts - das dauert sechs Wochen, bis ich die los
bin. Sieben Stunden hat´s gedauert! In Warnemünde an der Mole. Ich habe nur noch
das Geld in alle Taschen gestopft! Die letzten T-Shirts konnte ich gar nicht mehr
verkaufen, weil ich nicht wusste, wo ich das Geld
hinstecken soll.
Kannst Du einen Vergleich
ziehen, was Szene damals war und was Szene heute ist? Wo sind die
Unterschiede? Und spielt Ost - West eine Rolle?
Bei den Projekten, die ich mitgemacht
habe und die ich noch mitmache, spielt nicht nur Ost und West eine Rolle, sondern auch
international. Der Eimer ist sowieso international und Stubnitz zum Teil.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Eimer
das letzte besetzte Haus in Ostberlin. Die Idee,
das Haus zu besetzen, kam von Künstlern, Musikern. Beteiligt waren die Bands Die
Firma, Freygang, Ich-Funktion, Teutonic Death Fun Core. Teile der ersten Besetzung wurden
dann als IM geoutet und hatten dadurch ihr Hausrecht verloren.
Die Idee des Eimer ist es, ein Haus zu
haben, in dem sich Leute treffen, die aus den
verschiedensten Szenen und den unterschiedlichsten Musikrichtungen kommen. Also Leute,
die mehr aus der Drum´n´Bass - Ecke
kommen und Leute, die aus ganz anderen Richtungen kommen. Wir wollen den Laden für die
unterschiedlichsten Leute öffnen, um den unterschiedlichsten Kräften die Möglichkeit
zu geben voneinander zu lernen. So ist die Idee. Zu Beginn waren das erst einmal viele
Punkkonzerte, Performance und Kunstgeschichten. Die elektronische Musik kam erst etwas später hinzu, etwa ab 1992. Aber die
Sachen, die immer noch am besten besucht sind,
sind gute Rock'n'Roll-Konzerte, gute Punkkonzerte. Da gibt es die besten Partys, die
beste Stimmung. Und das ist der Ursprung. Obwohl auch bei guten Drum´n´Bass Geschichten
viele Leute kommen, die Stimmung gut ist und viel Geld rein kommt. Das wir nötig brauchen,
da wir keinerlei Staatskohle bekommen.
Stubnitz ist eine ganz andere Sache. Das ist
ein Schiff in Rostock, ein Projekt, das sich mit Kulturaustausch beschäftigt, das überall hinfährt und sich aber mit ähnlichen
Gedanken trägt wie der Eimer. Nämlich, dass sich
verschiedene Musikkulturen kennenlernen und untereinander austauschen.
Fühlst Du dich heute noch als Punk?
Ooh, die Frage ist schwer. Die kann ich
so eigentlich gar nicht beantworten, denn es stellt sich die Gegenfrage: was ist Punk?
Wo will man das festmachen, ich spiele Punkmusik und ich gehe zu Punkkonzerten.
Wenn ich zu einem guten Konzert gehe und die Stimmung ist gut, dann ist alles cool. Dann
ist das Punk.
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