telegraph #109
»EL PASADO PESADO«1 - DAS GESTERN IM HEUTE
Markus Rudolf

Im Vorfeld des 30. Jahrestages des Militärputsches in Chile interessierte den telegraph, ob für die chilenische Jugend der 11. September 1973 und was folgte überhaupt ein Thema ist, und wenn ja, wie sie sich mit diesem auseinandersetzt.
Markus Rudolf besuchte vor einiger Zeit das Land mit einer Gruppe von StudentInnen, die sich mit noch anderen Fragestellungen unter politischem, kulturellem, ökonomischem und ökologischem Blickwinkel auseinandersetzten.
Sein damaliges Resümee stellte er uns zur Verfügung. Er ergänzte heute, dass auch in letzter Zeit „sich an den beschriebenen Einstellungen nicht viel verändert haben wird“.
Zwar hatte der jetzige Präsident Ricardo Lagos (Sozialistische Partei) Mitte August 2003 eine Regierungskommission eingesetzt, die einen Gesetzesentwurf zur Entschädigung von Opfern der Militärdiktatur ausarbeiten soll, die Amnestiegesetze, die die juristische Aufarbeitung der Verbrechen zwischen 1973 und 1989/90 verhindern, wurden bisher jedoch nicht angetastet, bleiben weiterhin rechtskräftig. „Wir wollen die Wahrheit über das Schicksal unserer Angehörigen!“ und „Wir wollen Gerechtigkeit!“ hieß es in den Protesten dagegen, erst danach könne man über finanzielle Entschädigungen sprechen.

Am 23. März 1999 werden die Busse, die auf der Alameda, einer breiten zentralen Straße in Santiago, ihre nächtlichen Privatrennen veranstalten und dabei jeden dieses Vorhaben durch einen Halt störenden Fahrgast, möglichst ohne wirklich anzuhalten, auszuspucken suchen, die ganze Nacht über beobachtet. Augenpaare von Jugendlichen, Frauen und Männern, hinter Brillengläsern, über Bärten, in lachenden, ernsten, fröhlichen und nachdenklichen, markanten oder alltäglichen Gesichtern richten sich auf die passierenden Busse, Autos, Müllwagen und vereinzelten Passanten, die an der von Kerzen erleuchteten Mahnwache vorbeikommen. Die Gesichter, die auf den schwarz-weißen Plakaten im flackernden Kerzenschein bewegt und lebendig wirken, scheinen gespannt, erwartungsvoll darauf zu warten, dass der Mann, der behauptetet hatte: »Die Verluste waren ein Kriegsereignis. Was die Verschwundenen betrifft, die Regierung hat sie nicht verschwinden lassen.« (Salinas 1999, S.105), offiziell als Lügner verurteilt werden würde.
Vielleicht wurde ihnen diese Erwartung aber auch von denselben in die Gesichter geschrieben, die mit großen Lettern auf den Plakaten, Aufklebern, Ansteckern und Fahnen fragten: »Dónde están? « – »Wo sind sie?« Ihre Familienangehörigen bei dieser Mahnwache harrten die ganze Nacht hindurch mit Musik, Reden und in geteilter Erinnerung an die Verschwundenen auf den Urteilsspruch der Lords in London. Am nächsten Morgen zogen die nicht älter werdenden (Ehe-)Partner, Väter, Mütter, Schwestern, Brüder und Großeltern dann triumphierend, über den Köpfen derer, in deren Erinnerung sie weiterleben, durchs Zentrum Santiagos.
Am oberen Ende derselben Stadt, im buchstäblich höher gelegenen »upper class«-Viertel Las Condes, hingen chilenische Flaggen über den Balkonen; und Mauerbemalungen, soweit überhaupt vorhanden, verkündeten: »El Tata es Chile.« – »Der Opa (Pinochet) ist Chile.« Die britische und die spanische Botschaft, pas­senderweise im selben Block zu finden, waren von einer Heerschar von Reportern und Polizei umstellt. Aber diese hatten an diesem Tag des zweiten Urteilsspruches nichts zu tun.
Schon während die Familien der Ver­schwun­denen noch im Zentrum Santiagos feierten, tauchten die ersten Extrablätter mit für sie seltsam anmutenden Schlagzeilen auf: »Victoria parcial de Pinochet« (»Teilsieg für Pinochet«, La Hora 24. März 1999). »El Tata« hatte gewonnen, und deshalb war man auch im entgegengesetzten Lager am Feiern, zog durch die Straßen Santiagos und freute sich über endlich erlangte Gerechtigkeit.

Die Situation in Chile
Chile ist in vieler Hinsicht einzigartig und deswegen vielfach Objekt internationaler Studien geworden: Die erste und einzige demokratisch gewählte sozialistische Regierung weltweit kam hier 1970 an die Macht, die darauf folgende Diktatur hielt sich trotz jahrelangen internationalen Drucks und ging am Ende sozusagen freiwillig nach einem von ihr selbst anberaumten, aber am Ende verlorenen Plebiszit.
Was bei aller Romantik, Propaganda und Mythen bleibt, sind vor allem zwei Besonderheiten, die sich aus dieser speziellen Geschichte Chiles ergeben: Keines der Modelle scheiterte aus der Sicht seiner jeweiligen Verteidiger. Das erste Experiment, den Sozialismus auf demokratischem Wege zu verwirklichen, deshalb nicht, weil es gewaltsam abgebrochen wurde; und – mit sehr viel nachhaltigeren Folgen – das als Alternative zum eben erwähnten gedachte neoliberale Modell deshalb nicht, weil es noch heute funktioniert. Nach dem Abschied Pino­chets 1990 folgte keineswegs ein radikaler Umbruch; das, wie vielerorts behauptet, von ihm mit durch­­­schlagendem Erfolg durchgesetzte Modell wurde – mit kleineren Korrekturen – in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht weitergeführt, geschützt von einer von den Militärs maßgeschneiderten Verfassung.
Wo sonst scheiterte eine Diktatur nicht an wirtschaftlichem Mißerfolg, politischer Isolierung oder militärischem Desaster? Eine Diktatur, an deren Ende ein freiwilliger, überwachter und in die richtigen Bahnen gelenkter Übergang zur Demokratie stand, der alle alten Würdenträger (wenn überhaupt) in Ehren entließ, die sogenannten »Modernisierungen« der Diktatur nie antastete und den alten Kräften sogar Über­wachungsbefugnisse einräumte (vgl. unter anderem Maira 1998, Kapitel 3 und Moulian 1997, Kapitel 2). Mit relativ knapper Mehrheit wurde die Diktatur abgewählt, und das in einer von ihr selbst inszenierten und gewollten Entscheidung, weil sie von der nicht völlig abwegigen Annahme ausging, auf eine demokratische Legitimierung hoffen zu können. Weder fühlten sich die Militärs am Ende, noch waren sie es. Ganz im Gegenteil dachte Pinochet seine Kritiker widerlegt zu haben und war von einem Sieg fest überzeugt.
Das erwähnte Ergebnis (55 Prozent stimmten gegen Pinochet) ist symptomatisch für die chilenische Gesellschaft der letzten Jahrzehnte: Während einige nichts für weniger denkbar hielten, als unter dem Pinochet-Regime weiter zu leben, hielten andere genau diese Lösung für eine sehr gute Idee, die sich noch dazu schon über Jahre bewährt hatte. »Bewährt?!« hätten seine Gegner gefragt und wahrscheinlich dieselben Gründe wie die Pinochetisten angeführt, um das Gegenteil zu beweisen. Und hier kommt das ganze Trauma der chilenischen Bevölkerung zum Tragen: obwohl man im sel­ben Land wohnt und dieselbe Sprache spricht, könnte man in vielerlei Hinsicht nicht weiter von­einander entfernt sein und weniger gemeinsam haben. »Dank Pinochet sind wir, wo wir sind. Das Leben, das wir jetzt führen ist dank seiner politischen Entscheidungen viel besser.«2 Dieser Satz stammt von einer Fa­bri­kantentochter, die weiter meinte: »Das Leben heute ist besser geworden – dank Pinochet, aber sie erkennen das nicht an.« Und sie hat Recht, wenn sie meint, dass »wir sind, wo wir sind, dank Pinochet«, irrt sich aber in der Annahme, einige »würden das nicht anerkennen.« Ganz im Gegenteil, alle wissen, dass sie ihre jetzige Lage und die ihres Landes ihm zu verdanken haben. Uneinig ist man sich nur in der Wertschätzung derselben.

Das Kollektivgedächtnis und die BE- son­dere Situation der Jugendlichen
Man könnte meinen, dass es andere und wichtigere Probleme im heutigen Chile gibt, als die Vergangenheit wie­der aufzuwühlen.
Wie wir aber hier in Europa sehen, ist die sogenannte Vergangenheits- »Bewältigung« kein spezifisches Bedürfnis deutscher Kultur, sondern holt irgendwann jedes Land ein, selbst wenn es über 50 Jahre wie in Frankreich dauert3, bis die Öffentlichkeit die immer lauter werdenden Fragen nicht mehr überhören kann. In Chile befindet man sich immer noch in einer Phase, die scheinbar zu nah an den Ereignissen liegt, um überhaupt von so etwas wie Vergangenheitsbewältigung zu sprechen.
Der Schwerpunkt dieses Artikels liegt deswegen mehr auf einer Bestandsaufnahme, einem Kaleidoskop chilenischer Widersprüche vom Standpunkt der Vergangen­heits­ver­ar­beitung aus gesehen. Bestenfalls kann gezeigt werden, dass sich viele Probleme auf diese Weise erklären lassen und dass auf den ersten Blick Unverständliches dort seine Wurzeln hat. Der Artikel beschränkt sich also darauf, Fragen aufzuwerfen, neue Blickwinkel aufzuzeigen und zu eigenen Gedanken anzuregen, nicht mehr und nicht weniger.
Während der Exkursion wurde in zahlreichen Vorträgen, Diskussionen, Literaturre­cher­chen und in sogenannten Experten- sowie Ju­gendlicheninterviews4 vor allem eins deutlich: die Komplexität der chilenischen Realität. Auch mit der Beschränkung auf die Metropole Santiago und das gesellschaftliche Segment der Jugendlichen blieb das Bild äußerst fa­cettenreich. Aus diesem Facettenreichtum sollen hier, wie erwähnt, anhand der »rückwärts gerichteten«, historischen Perspektive, die verschiedenen Geschichtsbilder chilenischer Jugendlicher im Großraum Santiago im Alter von 18 (wahlberechtigt) bis 26 Jahren (das heißt im Jahr des Putsches geboren) erörtert werden. Die Jugendlichen sind in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse, da sie die erste Generation sind, die keine direkte Erfahrung mit dem Bruch von 1973 hat. Mit einer solchen Per­spektive ist dadurch die Vergangenheitsbe­wältigung auf der Ebene des Kollektivge­dächt­nisses ins Zentrum gerückt, die Frage also, wie Ereignisse von solch einschneidender Bedeutung in einer Gesellschaft in diesem Gedächtnis präsent bleiben. Nach Jorge Manzi, Andrés Haye und Jaime Castillo (1998) kann man so die politische Kultur, die nationale Identität, die Auswirkungen der politischen Konfrontation über dieses Thema auf die neuen Generationen und schließlich die Quellen der ideologischen Differenzierung besser verstehen. Die Beschränkung auf die Gruppe der jungen Leute von mehr als 18 Jahren schien ihrer Studie5 zufolge außerdem sinnvoll, weil die Ergebnisse zeigten, dass die kognitive Repräsentation mit steigendem Alter auch an Komplexität und Differenzierung zunimmt und die eigentliche »Weitergabe« (Transmission) des Kollektivge­dächt­nisses erst mit durchschnittlich 12 bis 13 Jahren beginnt. In diesem Artikel wird dabei vor allem auf »Experteninterviews« zurückgegriffen, deren Ergebnisse durch einzelne Kommentare aus den mit Jugendlichen durchgeführten Interviews6 ergänzt werden.

Theoretischer Hintergrund und Thesen
Es handelt sich also um Meinungen und Einschätzungen und nicht um eine repräsentative Studie. Interessant erschien vor allem die Verbindung zwischen der politischen Haltung, dem persönlichen Geschichtsbild und der Verarbeitung der Vergangenheit in der Öffentlichkeit. Dabei wurde davon ausgegangen, dass die Jugendlichen nach der Theorie der kognitiven Konsistenz (vgl. Stroebe et al. 1992, S159 ff.) gemäß der Annahme, dass Einstellungen die Wahrnehmung und Beurteilung der für die Einstellung wichtigen Informationen lenken, Information je nach ihrer Einstellung aussuchen und auswählen7. Um das Bild von sich selbst und seinem Umfeld beibehalten zu können, werden die Geschichte und Ereignisse so verarbeitet, dass sie dem Einzelnen subjektiv kongruent erscheinen. Das Ausmaß der »Vergangenheitsbewältigung« und die Art und Weise wie sie individuell, kollektiv und öffentlich betrieben wird, verrät also viel über Einstellungen, Selbstwahrnehmungen und Meinungen. Es wird weiter davon ausgegangen, dass in Chile keine öffentliche »Vergangenheitsaufarbeitung« in einem alle gesellschaftlichen Gruppen mit einschließendem Rahmen stattfand, viel weniger eine Bewältigung der neueren Geschichte. Aus diesen Arbeitsthesen ergab sich das Bild einer, trotz gegenteiliger politischer Bemühungen und offizieller Marschroute, in sich zerrissenen Gesellschaft (vgl.: Maira 1998 und Moulian 1997). Es wird zu zeigen versucht, dass völlig verschiedene Geschichtsbilder, abhängig von der gesellschaftlichen, politischen und sozialen Position, persönlicher Betroffenheit und (im Falle der meisten Jugendlichen vermittelten) Erfahrung, gepaart mit der fehlenden gemeinsamen Aufarbeitung der Diktatur zu einer unüberwindlich scheinenden Kommunikationsbarriere führen. Die Realität der verschiedenen Gruppen könnte soweit voneinander entfernt sein, dass ein Dialog, Verständigung zwischen ihnen unmöglich scheint. Zusammengefaßt lautet die Frage also, in welchem Maße das Geschichtsbild mit der politischen Einstellung, Informationsverarbeitung und der Bewertung der Gegenwart zusammenhängt; und inwieweit solche Mechanismen einen gesellschaftlichen Dialog erschweren, dass oftmals durch die politische Rhetorik, indem regelmäßig von offizieller Seite Ansprüche als Zustände dargestellt werden, erst die Änderungen geschaffen werden sollen.9 Nach dem Motto, dass man überflüssig wäre, würde man die eigene Inkompetenz den Militärs und der Polizei gegenüber eingestehen (siehe Becker 1996, S 175ff.), sieht man davon ab. Man schafft dadurch aber auch nicht zu erfüllende Erwartungen: Wenn den Jugendlichen nun auf der einen Seite Rechte erklärt und eingeräumt werden, ihnen andererseits aber regelmäßig von derselben Polizei, die schon unter Pinochets Ausnahmezustand Übergriffe zu verantworten hatten, tätlich klar gemacht wird, dass sich nichts geändert hat (Víctor Espinoza von der Menschenrechtsorganisation CODE- PU am 11. März 1999).10 Wenn sich Chile liberal, westlich und aufgeklärt gibt, lange Haare und Ohrringe für Jungen an den meisten Schulen aber genauso wenig geduldet werden wie unter den Militärs. Wenn Jugendliche die Freiheit versprochen bekamen und sie es waren, die sich am meisten dafür einsetzten11 und die Jugendlichen von heute nun in Parks für Alko­hol­konsum festgenommen werden (Piedro Guell vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen PNUD am 13. April 1999). Wenn von ihrer Zukunft geredet wird, in der das Land in die erste Welt aufsteigen soll, ihrer Entwicklung, ihrem Potential (vor allem immer kurz vor Wahlen) und die Jugendarbeitslosigkeit steigt, sie am meisten von der Wirtschaftskrise betroffen sind, der Anstieg an Anforderungen und Voraussetzungen in der Berufswelt nur noch von dem der Ausbildungskosten übertroffen wird (INJUV 1999, S.8ff.). Dann sind vor allem sie es, die die Diskrepanz zwischen dem öffentlichem Diskurs, dem was »die da oben« sagen und ihrem Alltag zu spüren bekommen. Sie sehen ein Land mit Zensur, repressiver Bekämpfung der Kriminalität (die sich vor allem gegen sie richtet, wie zum Beispiel das neue Stadiongesetz von März 1999, das höhere Strafen für die ausnahmslos jugendlichen Hooligans vorsieht), ein scheinheiliges Land in dem es an Respekt, Arbeit, Wahrheit ihnen gegenüber mangelt (Piedro Guell am 13. April 1999).
Natürlich gibt es keine »Jugend« an sich, sondern viele verschiedene Gruppen Jugendlicher, aber manchmal sind Tendenzen sichtbar, die überraschen mögen und von denen viele wie die eben beschriebenen Widersprüche direkt oder indirekt auf Probleme mit der jüngsten Vergangenheit zurückzuführen sind. So stellte Sergio Marras (1999) bei einer Studie fest, dass von 13 interviewten Jugendlichen aus dem Großraum Santiago, die er aus jeweils unterschiedlichen Einkommensquintilen ausgewählt hatte, alle entweder ihr Land ablehnten oder von Grund auf verändern wollten: »Alle hätten es vorgezogen, woanders geboren worden zu sein. ... Und die, die bleiben wollen, tun dies offensichtlich, um (das Land) von Grund auf zu ändern.« (ebenda, S. 89).12
Zieht man dann noch eine psychologische Perspektive hinzu, könnte man meinen, dass es sich hier um ein ganzes Land mit einem kollektiven post-traumatischen-Syndrom handelt. Paez (1998) hat in seiner Studie zu politischer Repression und kollektivem Gedächtnis im chilenischen Fall darauf hingewiesen, dass durch traumatische Ereignisse die essentiellen Einstellungen im Bezug auf sich selbst, die Welt und die anderen stark verändert werden. »Die Personen, die Opfer von Taten waren, welche durch Menschen verursacht wurden, neigen dazu, die soziale Welt negativer, als weniger wohlwollend wahrzunehmen und sehen sich selbst – im Vergleich zu Personen, die nicht von traumatischen Ereignissen betroffen wurden – negativer. Diese Unterschiede manifestieren sich bis zu 20 oder 25 Jahre nach dem Trauma« (ebenda, S. 6ff.). »Je mehr man vermied, darüber zu sprechen, ... desto besser bewertete man das Land. ... Der politische Kampf um die Erinnerung und das Vergessen ... ist nicht banal und hat Auswirkungen auf die Wahrnehmung der aktuellen Gesellschaft« (ebenda, S. 23). Dazu muss man in Betracht ziehen, dass zurzeit eine wahre Flut von Publikationen über die neuere Geschichte aus allen politischen Richtungen in chilenischen Buchläden zu finden ist.13 Die »Wahrheit« in Chile ist, als ob die Autoren die Studie Paez gelesen hätten, hart umkämpft.

Die Geschichtsbilder chilenischer Jugendlicher
Um die sehr unterschiedliche Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit zu erklären, wurde der Versuch gemacht, in Interviews die Ge­schichts­bilder von Jugendlichen zusammen mit der politischen Einstellung, Daten zur sozialen und persönlichen Lage und der jeweiligen Erklärung, woher das Wissen über die jüngste Vergangenheit stamme, zu erfassen. Diese wurden dann miteinander verglichen. Davon einige interessante Beispiele14:

Carolina, 23, obere Mittelklasse, Studentin der Betriebswirtschaft, würde die Partei RN (Renovación Nacional: Mitte-Rechts) wählen, ist aber nicht im Wahlregister eingeschrieben. Sie engagiert sich in einem internationalen Verein zur Jugendver­ständigung: Sie ist sich der negativen Seite der Diktatur bewußt, bedauert die Menschen­rechts­verletzungen und kritisiert die Methoden der Militärs. »Ich muss aber auch anerkennen, dass ich und meine Familie uns dank Pinochet in einer ziemlich stabilen Situation befinden, und das Land auf einer Entwicklungsstufe ist, die ziemlich hoch über dem Rest der lateinamerikanischen Länder liegt. ... Pinochet erscheint der Welt als Monster, aber langfristig hat seine Absicht Früchte getragen. Er hat nicht getötet um des Tötens willen. Auf eine Weise hat er sich für das Land geopfert.«
María, 24, Mittelklasse, Sozialarbeiterin in einem christlichen Armenprojekt, würde die rechte Partei UDI (Unión Demócrata Inde­pendiente) wählen und ist eingeschrieben. Sie würde sich aber gerne wieder aus dem Wahlregister austragen lassen, da sie damit nichts gewonnen hätte und «im Grunde die Leute, die dich repräsentieren sollen, die Erwartungen nicht erfüllen«. Sie lebt nicht mehr im Elternhaus und will die Ausbildung fortsetzen: Sie bezeichnet den Putsch eher neutral als »pro­nun­ci­amiento«, sich selbst als »pino­che­tista« und lehnt den Begriff Diktatur für die Militärregierung ab. Sie kennt die Exzesse der Militärs und bedauert die Ausschreitungen und Verletzungen der Menschenrechte. María führt diese auf die besondere Situation zurück: »Die Militärs sind nicht dazu ausgebildet, ein Land zu lenken, sie konnten sich keine Möglichkeit denken, die subversiven Elemente in die Gesellschaft zu integrieren, also blieb nur Mord oder Exil«. Sie lehnt jede Form gewaltsamen Widerstandes oder Protestes kategorisch ab und hält die Machtergreifung unter den damaligen Umständen, »die institutionelle Verfassung war zerbrochen, die Wirtschaft auch: die Auslandsschul­den und die Inflation waren hoch«, für nötig. In der Zeit Pinochets beschreibt sie die Situation als »ruhig, man konnte sich auf seine Arbeit konzentrieren und hatte die Möglichkeit, seinen Kindern eine Chance zu bieten«.
Héctor, 21, untere Mittelklasse, Hilfskraft bei seinem Bruder, der ein Hotel leitet, würde die Kommunistische Partei ins Parlament und Joaquín Lavín (Kandidat der rechten UDI) wegen »menschlicher Qualität« zum Präsidenten wählen, ist aber auch nicht eingeschrieben. Er lebt bei seinem Bruder, sucht Arbeit und eine Möglichkeit weiter zu studieren oder zu Verwandten nach Australien auszuwandern: Ihm zufolge erfolgte der Putsch, »weil die Militärs begannen, die Moneda, den Sitz des Präsidenten, zu bombardieren. Und der Präsident brach­te sich um. Als er starb, begann die Katastrophe. «Héctor vermischte viele historische Fakten, die er eigentlich kennt, aber nur schwer in Zusammenhang bringt. Im Interview sprach er offensichtlich zum ersten Mal über diese Dinge, sein Vater hatte ihm nur erzählt, »wie er unter Pinochet gelitten hatte«. Er selbst sieht die Erfolge der Militärs folgendermaßen: »Sie haben diese berühmte Ökonomie geschaffen, die das Ungerechteste ist, was es gibt«. Héctor ist der Meinung, dass man die Vergangenheit abschließen kann, »weil es eine schlechte Vergangenheit ist«, und denkt, dass die Verurteilung Pinochets ein Ende der Diskussion um dieselbe bedeuten sollte und würde, weil dann Gerechtigkeit, soweit das möglich sei, erreicht würde.
Juan, 21, Poblador (Bewohner eines Elends­viertel), arbeitete bei einem Drogenpräventionsprogramm in seiner Kommune und jetzt in einer Bank, wählt die Kommunistische Partei und ist eingeschrieben. Er hat eine Tochter, lebt von deren Mutter getrennt und wird Soziologie studieren: Die Zeit unter Pinochet beschreibt er so: »Repression. Ungleichheit in ihrer höchsten Form. Die von unten waren durch die Repression erdrückt, und die von oben waren noch weiter oben. Es gab Verletzungen der Menschenrechte.« Er denkt, dass die »Angst vor einem neuem Putsch die Angst vor einem Mythos ist. Heute ist das nicht mehr so einfach«. Wegen dieses Mythos aber wird die Vergangenheit für viele immer ein Tabu sein. Juan weist darauf hin, dass es für andere, die schon zu Pinochet-Zeiten protestierten, nie ein solches Tabu gab.

Das Gestern im Heute der Jugend
Das Bild von der heutigen Jugend in der Öffentlichkeit ist wohl am besten beschrieben mit »No estoy ni ahí«, was frei übersetzt soviel heißt wie »Null Bock auf gar nichts«. Dabei gehen auch die meisten Experten davon aus, dass diese Jugend sich nicht für Geschichte interessiert und auch nicht wirklich Bescheid weiß (vgl. Garreton/Villanueva 1999, S.62 und IN­JUV 1999, S. 27ff.). Hier ist eine Überlegung David Beckers darüber, wo denn eigentlich die Vergangenheit beginnt, interessant. Er weist darauf hin, dass Pinochet noch am politischen Prozeß mitwirkt, dass dessen Verfassung Reformen in das Korsett der »Transicion tutelada« (des überwachten Übergangs) zwängt und es in Chile nach wie vor Menschenrechtsver­letzungen gibt. Es handle sich also um »einen komplizierten politischen Prozess, der kei­neswegs nur in der Vergangenheit zu suchen ist und der die gesamte Gesellschaft mit einschließt« (Becker 1996, S. 168). Wie schon erwähnt, erfahren die Jugendlichen am ehesten, dass die Vergangenheit vielfach praktisch noch lange nicht vergangen ist. Wenn also manche behaupten, dass die meisten Jugendlichen keine Ahnung haben, welche Symbole sie mit Ernesto »Che« Guevara, Salvador Allende, Victor Jara, Pablo Neruda oder einer roten Flagge gebrauchen, ist das eine Kritik an deren Intellekt, die übersieht, dass es hier vor allen Dingen nicht um Inhalte oder Hintergründe geht, sondern um eine Reaktion auf die Verteufelung eben dieser Symbole in der Zeit der Diktatur. Die Jugendlichen nahmen die Dämonen, zu denen diese von Pinochet gemacht werden sollten, an und bauten sie zu ihren Ikonen auf. Wenn sie sich also ein Porträt Che Guevaras tätowieren lassen oder im Stadion die genannten Symbole zur Schau stellen, wissen sie vielleicht nicht, wofür diese genau stehen, aber sie wissen, dass es der Obrigkeit, vor allem der Polizei, nicht gefällt (Mario Garcés, Direktor des Instituts ECO für Erziehung und Kommunikation am 8. März 1999). Damit also wieder zum kollektiven Gedächtnis: Was wissen die Jugendlichen, woher und wie wichtig ist ihnen die eigene Geschichte? »Als Jugendlicher hast du viele Fragen, dir fehlen viele Stücke, dir fehlt die Erinnerung, ... und du willst wissen, was passiert ist.« (Interview mit Catarina, 26, am 13. März 1999)
Als Hauptquellen der Geschichtskenntnis kann man Schule, Öffentlichkeit, Elternhaus und persönliches Umfeld angeben. Dazu ist zu sagen, dass allerlei Hindernisse zu überwinden sind und eine große Menge an persönlichem Interesse nötig ist, um wirklich gut informiert zu werden. In der Schule und selbst in einigen Universitäten hört die Geschichte mit Präsident Eduardo Frei Montalva (1964-1970), also schon vor Allendes Präsidentschaft auf. Ausnahmen sind fast durchweg auf Schüler- oder Lehrerinitiativen zurückzuführen. »Du suchst aus Eigeninteresse in der Bibliothek oder liest, was es an Büchern zu Hause gibt.« (Interview mit Jaime, 23, am 23. März 1999) Das einzige vorhandene offizielle Geschichtsbuch bis 1989 von Francisco Frías (1979) ist eine reine Rechtfertigung des Putsches und ein Musterbeispiel einseitiger Geschichtsschreibung. Die Politik des Totschweigens unter der Diktatur wurde bis heute praktisch nicht korrigiert, trotz des Rettig-Berichtes über die Menschenrechtsverletzungen und einer entsprechenden Kritik. Starken Einfluß übt neben solchen offiziellen Quellen die Berichterstattung in Fernsehen und Presse aus, weniger Literatur und Kunst. Vor allem in der Familie und ihrem Umfeld aber wird direkt oder indirekt Erfahrung verarbeitet und an die Kinder und Jugendlichen weitergegeben.

Dabei können die Jugendlichen bisweilen die Absicht der Eltern oder Erwachsenen beobachten, angesichts des ihnen einseitig vermittelt erscheinenden Geschichtsbildes dieses subjektiv richtig zu stellen, dann aber auch Versuche, genau diesen Konflikt und deswegen auch jedes Gespräch darüber zu vermeiden, sei es, damit es sich nicht bei der nächsten Generation wiederholt, sei es, weil das Erinnern schmerzliche Erinnerungen weckt (so der Sozialarbeiter und Familientherapeut José Miguel am 8. März 1999). Und die Jugendlichen verstehen Vergangenheit auch indirekt durch Tränen in den Augen oder Wechseln des Fernsehkanals bei bestimmten Nachrichten und Bildern; sie erleben die Emotionen ihnen nahestehender Personen oder von Leuten, die solche Emotionen – wie zum Beispiel anläßlich der Verurteilung Pinochets – auch in der Öffentlichkeit spüren lassen (Piedro Guell am 13. April 1999). »Ich sah, wie meine Mutter weinte, als sie von verschwundenen Freunden und Nachbarn erzählte. Ich erinnere mich an den Ausdruck in den Gesichtern, wenn sie davon sprachen, wie schlecht es ihnen unter der Diktatur ging. Aus dem, wie sie erzählten, ergab sich für mich ein Bild; obwohl ich noch nicht lebte, kann ich es mir vorstellen.« (Interview mit Sergio, 23, vom 1. April 1999)

Die Jugend ist kein Abbild oder Spiegelbild der Erwachsenenwelt, aber sie wird in vieler Hinsicht von ihr beeinflußt, und vor allem politische Einstellungen, Meinungen und das eigene Geschichtsbild entstehen aus oder in der Auseinandersetzung mit schon Vorhandenem. Die Frage, wie Jugendliche über die Diktatur denken, welche Geschichtsbilder sie haben, wohin das führt und inwieweit es als Problem gesehen wird, welchen Stellenwert Vergangenheitsbewältigung noch für sie hat, kann nur im Kontext der chilenischen Gesellschaft geklärt werden.

»La realidad del otro no se entiende«15
Aus den durchgeführten, nicht repräsentativen Interviews ließ sich jedenfalls kein Widerspruch zu den hier aufgestellten Hypothesen ersehen. Von Ignoranz bis zu selbst erarbeiteten Expertisen, von Negation von Fakten bis zu deren Anerkennung, von der Unterstellung der Einseitigkeit der Aufarbeitung bis zum Vorwurf der absichtlichen Irreführung waren alle Mechanismen zur Aufrechterhaltung des kongruenten Selbst- und Gesellschaftsbildes zu notieren. Nur diese Seite zu erwähnen wäre allerdings mehr als oberflächlich, denn viele Jugendlichen sehen die Geschichte und die heute für Chile daraus erwachsenden Probleme klarer als der Rest der Gesellschaft, und oftmals schien es, dass sie sich längst entschieden hatten, sich dabei auch nicht von dieser Gesellschaft beirren zu lassen. »Ich bekomme viele Informationen, aber ich glaube nicht alles, was ich höre oder lese. Das, was in meiner Reichweite liegt, meine tägliche Erfahrung oder, was man zwischen den Zeilen lesen kann, ist glaubwürdiger. Du selbst musst es begreifen, sonst niemand.« (Interview mit Catarina, 26, am 13.3.1999). Fest­zuhalten bleibt, dass eine, alle Gruppen der Gesellschaft mit einbeziehende Vergan­gen­heitsbewältigung noch aussteht und ein Mechanismus, der alle gesellschaftlichen Kräfte zusammenführt, um trotz bestehender und nicht auszuräumender Gegensätze wenigstens eine wirkliche gemeinsame Kommunikationsbasis zu schaffen, noch fehlt.
Die Frage ist, wieviele gemeinsame Werte eine Gesellschaft braucht? Wenn die Politik nicht mehr als integrierend, weil unfähig, machtlos und inkonsequent wahrgenommen wird, wenn Wahlbeteiligung und Partizipation auf politischer Ebene und Selbstorganisation bzw. Selbsthilfe auf gesellschaftlicher Ebene immer mehr zu Sachen von Minderheiten werden und dem Individualismus, der »Tribalisierung«, dem Massenkonsum und der Politikverdrossenheit weichen, wenn keine Alternative angeboten wird, wo ist dann der kleinste noch gemeinsame Nenner? Wie ist Kommunikation trotz völlig unterschiedlicher Realitäten möglich? Wann wird eine Gesellschaft an solchen Gegensätzen zerbrechen? Wenn nationale Institutionen16 nicht von allen Seiten als konfliktlösend anerkannt werden, wo werden die Konflikte dann ausgetragen? Etwa in London oder Madrid?

Markus Rudolf ist Soziologe und wohnt in Berlin.

1 Die lästige Vergangenheit.
2 Interview mit Carolina am 14. März 1999.
3 Obwohl dort die ersten Fragen, wie auch in Deutschland, schon von der 68er Generation gestellt wurden.
4 Zur Problematik der Feldforschung, die im Rahmen der Ergebnispräsentation meist keinen Platz mehr findet, möchte ich auf die gute Darstellung dieser praktischen Probleme im Artikel von Heidi Holzinger verweisen.
5 Manzi, Haye und Castillo beschäftigten sich in der genannten Studie mit Kindern und Jugendlichen zwischen dem 4. und 12. Schuljahr.
6 Zwischen Februar und April durchgeführte Leitfadentiefeninterviews, deren Auswertung (Dauer: zwischen drei und acht Stunden) den hier gegebenen Rahmen sprengen würde.
7 »Alle Konsistenztheorien gehen davon aus, dass Personen danach streben, ihre Kognitionen in spannungsfreier, das heißt widerspruchsfreier Weise zu organisieren. « Daraus lasse sich die »Annahme ableiten, dass Einstellungen die Wahrnehmung und Beurteilung einstellungsrelevanter Informationen steuern. « (Stroebe 1992, S. 159).
8 Zur Problematik der Selbstdarstellung Chiles als demokratisches Land, das seine Vergangenheit bewältigt und die Transition abgeschlossen hat und der Realität, die zum Beispiel selbst Präsident Frei vor erhebliche Probleme stellte, siehe Becker: Für Frei war »Schein und Wirklichkeit nicht mehr zu unterscheiden Die Diktatur war vorbei, der Übergang auch; jetzt ging es darum. die großen Probleme der Zukunft in Angriff zu nehmen. « Nach der Auseinandersetzung um die Inhaftierung von General Contreras musste er allerdings anerkennen, »dass es in Chile noch keine Demokratie gebe, dass das Militär sich nur begrenzt unterordne, dass noch viele Wunden offen seien und geheilt werden müßten« (Becker 1996, S. 176f).
9 Ganz offensichtlich gehören die Polizei und das Militär aber zu denen, die das offiziell vermittelte Bild Chiles als »Wunschdenken« durchschauen. Vielleicht sehen sie es auch als Propaganda, oder aber als Warnung, wie es schlimmsten Falles werden könnte, ließe man Reden schwingende Politiker gewähren. So drohte zum Beispiel der Chef der Luftwaffe dem Präsidenten Frei, dass im Falle einer Verurteilung Pinochets in England, es zu einer Situation wie 1973 kommen könne. Frei, der nach der Contreras-Auseinandersetzung offenbar wieder Schein und Wirklichkeit ausei­nanderhalten konnte, verließ danach weder den Raum noch rügte er »seinen Untersetzten« in ir­­gendeiner Weise!
10 Laut Victor Espinoza hat sich die Situation, statistisch gesehen, eher noch verschärft, seit die Jugendlichen ihre Rechte kennen und sie deswegen einklagen. Vor allem aber auch, weil die Polizei den Hinweis der Jugendlichen auf ihre Rechte oft als Provokation auffaßt und noch härter durchgreift.
11 Zu der Generation der Proteste von 1983/84, die heute allerdings meist schon nicht mehr zur hier behandelten Gruppe Jugendlicher gezählt werden kann, siehe De la Maza/Garcés (1985).
12 Des Weiteren stellte sich heraus, dass sie Chile als ein diskriminierendes, rassistisches, mediokres und klassistisches Land sehen (a.a.O.). Pinochet dagegen hatte in seinem offenen Brief an die Chilenen davon gesprochen, dass die »Machtergreifung« der Wiederherstellung der Einheit des Landes, »para reimplementar la unidad del pais« (PINOCHET U., Augusto (1998): Carta a los Chilenos. London) diente, die die Unidad Popular mit ihrem Programm, das sich dem Hass, der Rache und der Teilung (a.a.O.) verschrieben hatte, zerstört hätte.
13 Sei es ein Wälzer »Los mil dias de Allende« (»Die tausend Tage Allendes«, 1997) in zwei schon durch ihr Volumen überzeugenden Bänden (irgendwo in diesen wohl über 2.000 Seiten muss die objektive Wahrheit zu finden sein, scheint es), eine Biografie des Juntamitgliedes Jose Merino Toriba (1998): »Bitácora de un Almirante - Memo­rias« oder eine Schrift von Pérez de Arce (1998): »Europa vs. Pinochet« oder Neuauflagen des Rettig-Berichtes in handlichem Taschenbuch-Format (1999) - die Diskussion erhitzt die Gemüter. Wenn Gonzales Rojas (1998) erklärt, wie »Chile die Freiheit wählte«, halten andere, wie Jose Antonio Viera-Gallo (1998) mit »11 de Septiembre - testemonios, recuerdos y una reflexion actual«, also mit »Zeugenaussagen« dagegen und damit demselben Prinzip, dessentwegen sich »Inter­ferencia Secreta« von Patricio Verdugo, ein Mitschnitt des Funkverkehrs der Militärs vom 11. September 1973, verkauft.
14 Dass diese Auswahl weder repräsentativ ist, noch typische Fälle darstellt, sei nochmals betont. Ebenso können die jeweiligen Kurzbe­schrei­bungen den Personen natürlich nicht gerecht werden.
15 »Die Realität des jeweils Anderen versteht man nicht.« Interview mit José Miguel am 8. März 1999.
16 Die Gerichte, die so gut wie keine Verurteilung oder Verfolgung der unter der Diktatur begangenen Verbrechen anstrebten und größtenteils aus von Pinochet ernannten Richtern bestehen, erwecken genauso wenig Vertrauen, wie – aus schon genannten Gründen – die Legislative und Exekutive.


Literatur:
David Becker, (1996): Soziale und psychische Probleme der (Nicht-)Aufarbeitung der Vergangenheit in Chile.
Detlef Nolte (Hrsg.), Vergangenheitsbewältigung in Lateinamerika, Frankfurt am Main.
Gonzalo de la Maza und Mario Garcés (1985), La Explosion de las Mayorias, Santiago.
Francisco Frías V. (1979), Manual de historia de Chile, 16. Auflage, Santiago.
Manuel Antonio Garretón und Tamara Villanueva (1999), Politica y jovenes en Chile - una reformulacion, Santiago.
INJUV (1999), Caracterización de la realidad juvenil en las ´90, Santiago.
Luis Maira A. (1998), Los tres Chile de la segunde mitad del siglo XX, Santiago.
Jorge Manzi, Andrés Haye und Jaime Castillo (1998), Construcción de la memoria del golpe de estado de 1973 en niños y jóvenes chilenos, in, Revista de Psicologia Social y Personalidad, Vol. XIV, No. 1, México.
Sergio Marras (1999), El inasible malestar (Estudio cualitativo exploratorio sobre percepciones, motivaciones y actitudes de los jóvenes chilenos entre 18 y 25 años en la región metropolitana), Manuskript, Santiago.
Tomás Moulian (1997), Chile Actual. Anatomía de un mito, Santiago.
Dario Paez (1998), Represión política y memoria colectiva: el caso chileno, Manuskript, Santiago.
Luis A. Salinas (1999), The London Clinic, Santiago.
Wolfgang Stroebe et al. (Hrsg.) (1992), Sozialpsychologie, Berlin.

Dank an alle interviewten Experten:
Jose Miguel, Sozialarbeiter und Familientherapeut, CINTRAS (Centro de Salud Mental y Derechos Humanos)
Mario Garcés Durán, Historiker und Direktor von ECO (Educación y Comunicación)
Antonio Favrau, Direktor von Caleta Sur (Drogenprävention- und Rehabilitionszentrum für Jugendliche)
Enrique Salgado, Sozialarbeiter, Caleta Sur
Victor Espinoza Cuevas, Führungsmitglied von Codepu (Corporación de promoción y defensa de los derechos del pueblo)
Viviana Díaz Caro, Vizepräsidentin von AFDD (Agrupación de familiares de detenidos desaparecidos)
Hugo Bolivar Salazar, Direktor und Verantwortlicher für Menschenrechte, Colegio de Profesores de Chile
Jorge Vergara, Soziologe, Professor an der Universidad Bolivariana
Gabriel Salazar, Historiker, Professor an der Universidad de Chile und der Universität Arcis
Piedro E. Guell V., Berater bei PNUD, Programm der Vereinten Nationen für Entwicklung
Andrés Haye Molina, Sozialpsychologe, Professor an der Katholischen Universität von Chile
Domingo Azún, Psychologe, Universiät Diego Portales
Den Jugendlichen, die sich bereitwillig stundenlang interviewen ließen, sowie allen, deren Hilfe in Chile diesen Artikel erst ermöglichte, gilt mein besonderer Dank.

 



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