telegraph #109
EINE JUSTIZFARCE IN KOLUMBIEN
Danny Morrison

Am 11. August 2001 wurden drei Iren, Jim Monaghan, Martin McAuley und Niall Con­nolly, am Flughafen der kolumbianischen Haupt­stadt Bogotá verhaftet. Monaghan und Mc Auley sind ehemalige irisch-republikanische Gefangene, die nach ihrer Haftentlassung in politischen Projekten gearbeitet haben.

Jim Monaghan saß im Parteivorstand von Sinn Fein, dem ich auch angehörte, er unterrichtete und gab ein theoretisches Magazin heraus, in dem er häufig über die Kämpfe in Lateinamerika schrieb. Zurzeit seiner Festnahme arbeitete er für die Gefangenenhilfe Tar Isteach. Martin McAuley war Wahlkampfhelfer von Sinn Fein, als ich 1989 für das Europäische Parlament kandidierte. Aus diesen Zusammenhängen kenne ich diese beiden Män­ner. Niall Connolly, ein Sinn-Fein-Unterstützer aus Dublin, lebte mit Partnerin und Kindern in Kuba.

Bei der Festnahme der drei wurden falsche Ausweispapiere sichergestellt. Ein kolum­bi­anischer Experte führte an den Kleidern und Reisetaschen der drei Festgenommenen forensische Tests durch und stellte fest, dass sie "sauber" waren. Dann traf ein Bediensteter der US-amerikanischen Botschaft ein und führte einen weiteren Test durch. Er behauptete, er habe an den drei Männern und ihrem Gepäck Spu­ren mehrerer hochexplosiver Sprengstoffe sowie von Kokain festgestellt.

Die Festgenommenen wurden gefragt, ob sie Mitglieder der Guerillaorganisation Bewaffnete revolutionäre Streitkräfte (Farc) getroffen hätten (vor zwei Jahren herrschte zwischen der Farc und der Regierung ein Waffenstillstand, und die Farc kontrollierte eine entmilitarisierte Zone von der Größe der Schweiz). Ein von der Regierung beauftragter Rechtsanwalt riet ihnen zu leugnen, dass sie Kontakte zur Farc hatten. Später erklärten sie, sie hätten gelogen, weil sie davon ausgegangen seien, dass die Wahrheit sie in noch größere Schwierigkeiten gebracht hätte, als das Vergehen, mit falschen Pässen gereist zu sein (weswegen sie hätten abgeschoben werden sollen). Über die Jahre haben sich Tausende von irischen Republikanern falscher Papiere bedient, um der Verfolgung zu entgehen oder den Visumzwang in den USA zu umgehen und dort Arbeit zu finden.

Dann wurde gegen die drei Anklage erhoben. Die Vorwürfe lauteten: Ausbildung der Farc in IRA-Bombenbautechniken und Benutzung falscher Pässe.
Die Verhaftung und Anklage der drei führte zu einer Medienhysterie in England und wurde von Unionisten, die gegen oder nur zögerlich für das Karfreitagsabkommen von 1998 sind, benutzt, Sinn Fein anzugreifen und den Frie­densprozess zu untergraben.

Die Medien, die anonyme Quellen aus dem Sicherheitsapparat zitierten, berichteten, neben den forensischen Beweisen lägen Satellitenfotos vor, auf denen die drei bei der Schulung der Farc in der Herstellung von "Kasernenbre­chern" zu sehen seien, sowie abgefangene Funksprüche der Farc, in denen von den dreien die Rede sei. In einem weiteren Bericht hieß es, die drei hätten im Dschungel eine neue Napalmbombe testen wollen, die in London hätte eingesetzt werden sollen! Der BBC-Korrespondent erklärte, aus Angst entführt zu werden, wage sich kein ausländischer Reisender in das von der Farc kontrollierte Gebiet.
Was für ein Korrespondent! Zu denjenigen, die sich zu einem Besuch bei der Farc einfanden, gehören ein päpstlicher Gesandter, die Königin von Jordanien, die ehemalige englische Nordirlandministerin Mo Mowlam und der stellvertretende Direktor der New Yorker Börse.

Die Männer wurden in verschiedenen Gefängnissen von Bogotá und weit von der kolum­bianischen Hauptstadt entfernt gefangen gehalten, was die Besuche ihrer Angehörigen erschwerte, und es ihren Anwälten schwer mach­te, sich auf die Verteidigung vorzubereiten. Rechte Paramilitärs drohten, die Gefangenen und ihre Anwälte umzubringen. Die Rechts­anwaltskanzlei, von der die drei vertreten werden, engagiert sich in Menschenrechtsfragen. Einige ihrer Mitarbeiter wurden bereits ermordet. Kolumbien ist eines der gefährlichsten Länder der Welt, und Bogotá ist in Sachen Entführungen Weltspitze.

Die IRA erklärte, keines ihrer Mitglieder habe etwas mit der Farc zu tun, und der Farc-Kommandeur Raul Reynes sagte gegenüber ITN, er habe die drei Iren lediglich zu politischen Diskussionen getroffen.
Bestrebt weiter Krieg zu führen und ermutigt vom Pentagon, das die Farc fälschlicherweise als "Narko-Terroristen" darstellte, die bis über beide Ohren in der Kokainherstellung steckten, brach die kolumbianische Regierung im Herbst 2001 die Gespräche mit der Farc ab, und der Konflikt ging weiter.

Die ganze Zeit über hat es Einmischungen und Manipulationen der Regierung und des Militärs gegeben. Während der Untersuchungshaft der drei Iren erklärte der Oberkommandierende der kolumbianischen Streitkräfte, General Fer­nando, sie vor einem Ausschuss des Kongresses ebenso für schuldig, wie es der kolum­bianische Präsident Alvaro Uribe tat. Ein weiterer führender Militär, General Mora, äußerte sich im Prozess voreingenommen und forderte die Verurteilung der drei Männer.

Der Prozess selbst, der am 30. Juli zu En­de ging, war eine Farce. Satellitenbilder und abgefangene Funksprüche gab es nicht. Der Beauftragte der US-Botschaft blieb dem Prozess zwar fern, doch sein Bericht wurde als Beweismittel eingeführt. Die Verteidigung berief Dr. Keith Borer in den Zeugenstand, einen der führenden britischen Forensik-Experten, der über eine mehr als dreißigjährige Erfahrung verfügt. Er war bereits in Prozessen gegen IRA-Mitglieder aufgetreten und hatte bei der Aufklärung von Fällen, wie dem Bombenanschlag von Brighton, vom Londoner Hyde Park und von Oklahoma in den USA, mitgewirkt, so dass seine Professionalität und Unabhängigkeit außer Frage stand. Er wies die Ergebnisse der forensischen Untersuchungen zurück und erklärte, es gäbe zwar Ähnlichkeiten zwischen Mörsern aus der Herstellung der IRA und denen der Farc, es existierten jedoch weit mehr Unähnlichkeiten. Er zweifelte auch die Behauptung an, dass die jüngsten Aktionen der Farc die Handschrift der IRA trügen.

Die Anklage stützte sich weitgehend auf die Aussage von Überläufern der Farc, die durch die Bestätigung ihrer Alibis und durch Videobeweise für alle drei Angeklagten entkräftet werden konnten. Jim Monaghan zum Beispiel hielt sich an den Tagen, an denen er im Dschun­gel die Guerilla ausgebildet haben soll, in Wirklichkeit in Dublin und Belfast auf. Sile Maguire, die Erste Sekretärin der Irischen Botschaft in Mexiko, sagte aus, dass sie am 17. Januar 2001 mit Niall Connolly in Kuba zu Abend gegessen habe. An diesem Tag soll dieser sich laut Aussage eines Überläufers in der entmilitarisierten Zone aufgehalten haben. Bei dem Abendessen waren auch Jim OíKeefe, Abgeordneter von Fine Gael, sowie Ben Bris­coe, Abgeordneter von Fianna Fail zugegen.

Die Anklage, das Militär sowie die Regierung haben Hand in Hand gearbeitet. In den Medien bauschte die Anklage den Sachverhalt auf, dass die Verteidigung nicht in der Lage gewesen sei, durch Zeugen oder Beweise zu untermauern, Iren hätten in der entmilitarisierten Zone mit der Farc über den Friedensprozess diskutiert. Als die Verteidigung und die Unter­stützer der drei Iren jedoch beantragten, in den Dschungel reisen und Beweise sichern zu dürfen, verweigerte die Regierung ihnen die Genehmigung.

Die Angeklagten haben den Prozess boykottiert, weil sie nicht an ein faires Verfahren glaubten. Doch am letzten Prozesstag erschienen sie vor Gericht, verlasen Erklärungen und beteuerten ihre Unschuld. Sie bekundeten zudem ihr langjähriges Interesse an Lateinamerika, das sie nach Kolumbien geführt habe. Der Richter, Geschworene gab es nicht, wird sein Urteil in den nächsten zwei Monaten verkünden. Wir haben uns immer wieder gegen die Ungeheuerlichkeit der Diplock Courts gewandt, doch kein solches nordirisches Gericht, an dem ohne Geschworene verhandelt wird, hätte Jim Monaghan, Martin McAuley und Niall Con­nolly auf Grund von Fiktionen verurteilt. Fiktionen, derer sich bedient wurde, um sowohl dem Friedensprozess in Irland als auch in Kolumbien Schaden zuzufügen.

Aus dem Englischen von Jürgen Schneider



Diese Erklärungen sind nachzulesen in der Ausgabe der Zeitung An Phoblacht/Republican News vom 31. Juli 2003, zu finden unter
http://www.anphoblacht.com/ (Anm. d. Ü.)

Danny Morrison ist Schriftsteller und lebt in Belfast. Seine Bücher erschienen in deutscher Übersetzung beim Unrast Verlag, Münster.



© telegraph. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des telegraph