Vollbeschäftigung als Farce
Werden die Gesetze so wie in den Eckpunkten umgesetzt, schmelzen die gesetzlich garantierten Rechtsansprüche in der Arbeitsförderung wie die Butter in der Sonne. Die Arbeitslosigkeit in der BRD von 2006 wird vergleichbar gering sein, da es ziemlich wenig Arbeitslose mit ALG gibt. Deshalb wird auch die Bundesanstalt für Arbeit (BA) zur Dienstleistungsagentur für Arbeitnehmer und Arbeitgeber geschrumpft3. Ziel ist es, dass „die Reform des Arbeitsmarktes ein Beitrag ist, längerfristig - entsprechend den Zielvorgaben der beschäftigungspolitischen Leitlinien der europäischen Union - in Deutschland wieder Vollbeschäftigung zu erreichen.“4 Diese Behauptung steht in der Tradition der Entwicklung der Arbeitsfördergesetze der 1990er Jahre und der „Hartz“ - Gesetze 1 und 2. Beispielsweise wurde 1997 die Geringfügigkeitsgrenze von 18 auf 15 Stunden abgesenkt. Plötzlich galten massenhaft Leute mit Beschäftigungen von mehr als fünfzehn Stunden nicht mehr als erwerbslos. Seit dem 1.1. 2003 gilt der Mindestselbstbehalt für erwerbstätige Ehe- oder Lebenspartner nach dem SGB III - die „fiktive“ Arbeitslosenhilfe (ALHI) - nicht mehr, sondern die Regelung der Sozialhilfe. Aus diesem Grunde u.a. wurden aus 4,7 Millionen Arbeitslosen im Februar 2003 im Juli 2003 nunmehr 4,25 Millionen. Die Bundesregierung schreibt nach Aussage der ARD-Tagesschau am 7.7.2003 den Rückgang der Arbeitslosigkeit ihrer zukunftsorientierten Politik zu. Was aber ist passiert? Wegen einer größeren Anrechnung des Partnereinkommens auf die Arbeitslosenhilfe entfiel der Leistungsbezug für viele EmpfängerInnen. Eine nicht unbeachtliche Anzahl von ALG-BezieherInnen ist zur Streckung ihres ALG - Anspruchs wegen der drohenden Einkommensnot ohne ALHI in die Existenzgründung mit Überbrückungsgeld geflohen. Eine weitere Gruppe mit ALHI stürzte ab dem 1.1.2003 über die neuen Vermögensfreigrenzen. Seitdem sind statt bisher 520 Euro pro Lebensjahr nur noch 200 Euro pro Lebensjahr gestattet. Die ALHI der Betroffenen wurde aufgehoben. Diese „Nichtbedürftigen“ essen ihre Ersparnisse oder die Rückkauferträge ihrer (Kapital-) Lebensversicherungen zur Altersvorsorge auf.
Vermittlungskonzentration ist Leistungsverringerung5
Zur effektiveren Erbringung von Dienstleistungen am Arbeitsmarkt soll sich die BA-Behörde baldigst als Agentur auf das Kerngeschäft „Vermittlung“ konzentrieren. Die Arbeitsämter werden durch Benchmarking sowie die Erhöhung der Personal- und Budgetflexibilität stärker in Konkurrenz gesetzt. Die Landesarbeitsämter bleiben als Regionaldirektionen erhalten und sollen die BA bei der Einrichtung von Jobcentern als bürgernahe Anlaufstellen für alle Erwerbslosen zur Eingliederung in Erwerbsarbeit und Überwindung der Hilfebedürftigkeit unterstützen. Für „stärkere kundenorientierte Dienstleistungen“ fassen die Job-Center alle Dienstleistungen unter einem Dach zusammen.
Das bisher auf die Einzelfallgerechtigkeit ausgerichtete Leistungssystem soll zugunsten einer „Verringerung des bürokratischen Aufwandes“ vereinheitlicht werden. Für den ALG-Anspruch gilt künftig eine einheitliche Anwartschaftszeit von zwölf Monaten. Sonderregelungen einer sechsmonatigen Anwartschaftszeit für Wehr- und Zivildienstleistende und für Saisonarbeitnehmer entfallen, und damit ihre Gleichstellung gegenüber Versicherungspflichtigen. Insbesondere letztere werden kaum noch ALG - Ansprüche erarbeiten können. Wehr- und Zivildienstler können freiwillig Beiträge in die Arbeitslosen-Versicherung einzahlen. Aber welches Einkommen bleibt ihnen dann und wie winzig ist später ihr ALG? Schüler sollen sich vor dem Wehr- und Zivildienst nicht mehr wegen einer Fristerreichung zum ALG arbeitssuchend melden müssen. Verdienen die Eltern gut, müssen sie ihr erwachsenes Kind künftig als erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach den Konditionen der „aktivierenden Grundsicherung“ mitfinanzieren.
Leistungskürzungen für alle
Die Rahmenfrist für den ALG-Bezug soll generell von derzeit drei Jahren auf zwei Jahre abgesenkt werden. Die Latte für ALG für prekär Beschäftigte im Medienbereich, in der Kultur, im Sport und im Wissenschaftsbereich wird damit besonders hochgelegt. Spitzfindig ist auch das Vorhaben, „die Verlängerung der Rahmenfrist für Zeiten des Bezuges von Unterhaltsgeld oder Übergangsgeld, für Zeiten einer selbständigen Tätigkeit sowie für Zeiten der Pflege eines Angehörigen“ entfallen zu lassen. Diese Besserstellung für Pflegende wurde erst 1998 von Schwarz-gelb eingeführt. Rot-grün schafft sie ab, obwohl sich SPD-ler und Grüne jahrzehntelang für eine Neubewertung der Pflegearbeit eingesetzt hatten. Hat jemand seine Mutter in der Zeit vom 1. Juli 2001 bis 31. Januar 2004 gepflegt und war vorher vieljährig tätig, kann er seinen ALG-Anspruch in den Schornstein schreiben. Eine zwischenzeitliche selbständige Tätigkeit (Freiberufler, Jobber, Gewerbetreibende, Existenzgründer) nach einer Erwerbstätigkeit wird zur Falle, wenn nach mehr als einem Jahr Selbständigkeit die Pleite droht und die Ansprüche aus der vorherigen Erwerbstätigkeit beim Arbeitsamt geltend gemacht werden sollen. Als Ersatz soll eine freiwillige Weiterversicherung für Pflegende und Existenzgründer sowie Arbeitnehmer, die sich vorübergehend im Ausland aufhalten, eröffnet werden.
Trauben höher gehängt
ALG soll es nur für „typische“ Arbeitsverhältnisse geben. Wenn kein ausreichender Zeitraum für einen ALG-Bezug vorliegt, soll eine fiktive Einstufung nach vier gesetzlich festgelegten Entgeltstufen erfolgen6. Für „atypische“ Beschäftigungsverhältnisse wie Wehr- und Zivildienstleistende und Zeiten der Erziehung soll die Berechnung des ALG künftig außer Betracht bleiben. Eine stärkere Pauschalierung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen ist vorgesehen, obwohl die Kirchensteuer (endlich) außen vorbleibt. Erhöhungen der Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge schmälern die Leistungen.
Ein schnellerer Rausschmiss aus der Arbeitslosenversicherung ist garantiert: Sperrzeiten wegen Arbeitsaufgabe oder eines Meldeversäumnisses sollen zum Erlöschen eines Leistungsanspruches führen. Das monatliche Nebeneinkommen soll nicht mehr bis zu 20 Prozent des ALG betragen, sondern bei einheitlich 165 Euro begrenzt werden.
Die Beschäftigteneigenschaft bei mithelfenden Familienangehörigen soll schneller ermittelt werden, um ihren Arbeitslosengeldbezug abzuwenden. Aus der Arbeitslosenversicherung soll es ab 2004 nur noch dann Leistungen geben, wenn der vorrangige Anspruch auf Krankengeld erschöpft ist.
Den Letzten beissen die Hunde
Die Bundesregierung steuert mit einer „Vereinfachung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente“7 Erwerbslose mit neu ausgestalteten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen (ABM) in´s Abseits. ABM und SAM werden zusammengelegt - für ältere Arbeitnehmer mit bis zu dreijähriger Förderung. Diese ABM definieren sich nach den Problemschwerpunkten der regionalen und Teilarbeitsmärkte statt wie bisher nach speziellen Tätigkeitsfeldern wie z. B. Kultur, Sport, Denkmalspflege, Jugendarbeit usw. Die neuen ABM sollen ausschließlich der Erhaltung und Wiedererlangung der Beschäftigungsfähigkeit der Erwerbslosen dienen, nicht mehr der Verbesserung ihrer Eingliederungsmöglichkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt. Löhne in Anlehnung an Tarifverträge von Bund und Ländern sind für die Neu-ABM nicht vorgesehen, sondern es werden nur noch Pauschalen - nach Qualifikationsstufen gestaffelt - bezuschusst. Sicher werden dadurch Arbeitskräfte wegen verringertem Verwaltungsaufwandes freigestellt. Aber es wird auch die Tarifautonomie der Gewerkschaften weiter eingeschränkt und ein weiteres staatliches Niedriglohnsegment eröffnet. Neu - ABM beinhalten regulär keine Möglichkeiten für die Qualifizierung von Arbeitnehmern und die Durchführung von Praktika. Ausnahmen können für Jugendliche gemacht werden.
Doch sichergestellt werden soll auf jeden Fall, „dass ein Einsatz von arbeitslosen Arbeitnehmern zur Schadenbeseitigung bei Naturkatastrophen möglich ist.“8 Eine Vergabe an Wirtschaftsunternehmen ist bei den Neu - ABM nicht ausgeschlossen, doch die im Job - AQTIV - Gesetz eingeführte „Beschäftigung schaffende Infrastrukturförderung“ (§ 279a) bleibt vorrangig. Neu-ABM sollen von der Versicherungspflicht der Bundesanstalt für Arbeit freigestellt sein. Es entsteht demzufolge kein Neuanspruch auf Arbeitslosengeld. Für erwerbsfähige Ältere bedeutet dies, dass für sie nicht mit einem Anspruch auf ALG bis zur Rente rechnen können, sie bis dahin mit dem mageren ALG II (Sozialhilfeniveau) auskommen müssen und dass ihnen bei der „Frühverrentung“ ab sechzig zusätzlich die Abschläge von der Rente drohen.
Die Vielzahl der Eingliederungszuschüsse für Ältere, Schwervermittelbare, Jugendliche und Einarbeitung wird zu einem Eingliederungszuschuss für Arbeitnehmer mit Vermittlungshemmnissen zusammengefasst. Die Ermessensleistung kommt künftig grundsätzlich für eine Dauer bis zu 12 Monaten und in einer Höhe von bis zu 50 % des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts in Frage; u.U. für ältere Menschen bis zu 36 Monaten (bis 2009). Der Eingliederungszuschuss für Schwerbehinderte bleibt in voller Höhe erhalten.
Prävention gegen Kostenfaktor „Alter“
Integriert werden das Strukturkurzarbeitergeld und die Zuschüsse zu Sozialplanmaßnahmen und zu Transfermaßnahmen, die der Überleitung in neue Arbeitsverhältnisse dienen und „der Frühverrentung entgegenwirken“. Ältere Arbeitnehmer sollen „nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft in einer längeren Nichterwerbsphase finanziert werden“.9 Sozialplangelder - überwiegend zum Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile bei Arbeitslosigkeit gedacht- und somit den Arbeitnehmern gehörig, werden nun durch die Bundesregierung verwandelt. Für die Stellensuche muss der Arbeitnehmer seine eventuelle Abfindung in Transfergeld verwandeln. Er wird damit in Haftung genommen für Managementfehler und eine unhaltbare Beschäftigungspolitik von Bund und Ländern, obwohl gar keine neuen Stellen in Sicht sind.
Auch mit dem neuen Struktur-Kurzarbeitergeld, was es jetzt nur noch 12 Monate statt vorher 24 Monate geben soll, werden Ältere schneller zum alten Eisen sortiert. Hiermit soll vor der Übernahme in eine Auffang- bzw. Transfergesellschaft das Profiling bezahlt werden, dass bisher die Arbeitsämter innerhalb von Trainingsmaßnahmen finanzierten. Diese Maßnahmen schränken die möglichen Sozialeinkommen von potenziellen und tatsächlichen, vor allem älteren Erwerbslosen erheblich ein.
In Altersteilzeit mit weniger Kohle länger arbeiten
Angeblich gefährdet die gesetzliche Altersteilzeit mit Nachbesetzungspflicht die „echte“ Altersteilzeit, bei der die Erfahrungen der Älteren durch die Jüngeren bis zuletzt genutzt werden sollen. Altersteilzeit soll auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) durch Vereinfachungen bei der Lohnberechnung attraktiv gemacht, dafür eine verbindliche Insolvenzsicherung der Altersteilzeitleistung - als Voraussetzung für Altersteilzeit im Blockmodell - geschaffen werden. Zu Beginn der Förderung soll deshalb nur einmalig ein Bemessungsentgelt für den Gesamtzeitraum und für die Ermittlung des Aufstockungsbetrages festgelegt werden. Eine Teilhabe an Tariferhöhungen ist somit nicht vorgesehen. Die an Tarifregelungen gekoppelte gesetzliche Vorschrift der Altersteilzeit, nach der die bisherige Arbeitszeit auch bei nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern auf die Hälfte der betrieblichen Arbeitszeit zu reduzieren ist, soll entfallen. Diese Altersteilzeitler werden dann je nach Gusto des Unternehmers für eine kleine Pauschale Mehrarbeit leisten. Die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen für nichttarifgebundene Unternehmen wird auf diese Weise für die Altersteilzeit aufgehoben. Das ist ein weiterer Schritt zur Einschränkung der Wirkung der Flächentarifverträge. Ob durch solche Maßnahmen ältere Arbeitnehmer wirksam abgesichert sind, sei dahingestellt. Für KMU ist die spezielle Insolvenzsicherung mit Sicherheit wenig attraktiv. So bleibt es beim Aussteuern der Älteren.
Keine Gnade für Langzeitarbeitslose
Nach dem Motto des aktivierenden Sozialstaates „Wer Leistungen bezieht, soll auch was leisten“ sollen Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammengeführt werden. „Jeder Mensch soll grundsätzlich selbst dafür verantwortlich sein, seinen Bedarf und den Bedarf seiner Angehörigen zu sichern. Nur soweit er dazu nicht in der Lage ist, hat der Staat die entsprechende Verantwortung“ ein der Würde des Menschen entsprechendes Leben zu ermöglichen und den Lebensunterhalt zu sichern.10 „Ende 2002 lebten 2,7 Millionen Menschen von der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz. Eine große Gruppe der HilfebezieherInnen sind Alleinerziehende, die aufgrund nicht ausreichender Kinderbetreuung auf Sozialhilfe angewiesen sind. Eine weitere Gruppe sind Kinder unter 18 Jahren. Noch eine weitere Gruppe sind ältere bzw. erwerbsgeminderte Menschen, deren Rente nicht ausreicht und die daher keinen Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei voller Erwerbsminderung haben. Schon heute beziehen ca. 80.000 Menschen trotz Vollzeiterwerbstätigkeit Sozialhilfe.“11
Eine neue staatliche Fürsorgeleistung, die so genannte aktivierende Grundsicherung für Erwerbsfähige (ALG II) wird nun für diejenigen kreiert, die nicht aus eigenen Mitteln und Kräften (Erwerbstätigkeit, Einkommen, Vermögen, andere Sozialleistungen, Versicherungsansprüche, u.U. Unterhaltsansprüche) in der Lage sind, sich zu erhalten. Anspruchsberechtigt sollen alle erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zwischen 15 und 65 Jahren und ihre Angehörigen sein, die bis zu 3 Stunden täglich erwerbstätig sein können. Unerheblich dabei ist die vorübergehend, unzumutbare Erwerbstätigkeit wegen Erziehung eines Kindes unter drei Jahren oder die Pflege eines Angehörigen. Hinsichtlich des Vermögens orientiert sich die Bedürftigkeitsprüfung am Recht bei der ALHI zzgl. spezieller Renten zur Altersvorsorge und bei den Einkommen am geltenden Recht der Sozialhilfe. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes entsprechen dem Niveau der Sozialhilfe und werden nach dem Bedarfsdeckungsgrundsatz weit möglichst pauschaliert. Nur außergewöhnliche Sonderbedarfe (wie z. B. Wohnungsbrand ) sind im Rahmen der Sozialhilfe zu decken. „Zwischen 400.000 und 1,2 Mill. Personen in Haushalten, in denen bisher Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld im Anschluss an die Arbeitslosenhilfe bezogen wurde, werden keine Leistung nach dem neuen System erhalten.“ 12
Neue Sonderzone: Arbeitszwangsmarkt zum Minitarif
Erwerbsfähige Bedürftige sollen Beschäftigung in einem besonderen, öffentlich geförderten Arbeitsmarkt nach dem Grundsatz „Fordern und Fördern“ erhalten. Durch Fallmanagement soll eine maßgeschneiderte Ausrichtung der Eingliederungsleistungen auf erwerbsfähige HilfeempfängerInnen zugeschnitten werden. Maßnahmen sind z. B. ein Sonderprogramm zum Einstieg in Beschäftigung und Qualifizierung vom 28. Mai 2003 für 100.000 Jugendliche, ein Betreuungsverhältnis der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zu einem Fallmanager im Verhältnis 1:75, die qualifizierte Ausbildung eines Fallmanagers sowie noch stärker angepasstere Leistungen für Langzeitarbeitslose ähnlich dem Sonderprogramm des Bundes „Arbeit für Langzeitarbeitslose“.13 Als Ermessensleistung wird ein Einstiegsgeld nach den Einschätzungen des Fallmanagers für Bedürftige eingeführt. Finanzielle Anreize für eine Beibehaltung der Erwerbstätigkeit werden über den maximalen Freibetrag von 50 % des Eckregelsatzes (146,- Euro in den alten und 141,- Euro in den neuen Ländern) in Abhängigkeit von der Haushaltsgröße in 10%-Schritten pro Person angehoben. Bei einer Kombination aus Einstiegsgeld und Freibetrag werden bei jedem netto zusätzlich aus Erwerbseinkommen verdienten Euro oberhalb eines Sockelfreibetrages wenigstens 85 Cent angerechnet. Dieser Anrechnungssatz wird im Rahmen der neuen Leistung familienbezogen deutlich abgesenkt. Die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit soll auch mit Sanktionen erreicht werden: Bei Ablehnung einer zumutbaren Erwerbstätigkeit oder Eingliederungsmaßnahme sowie fehlender Eigeninitiative wird die Leistung in Höhe von 30 % der Regelleistung für den Haushaltsvorstand (rd. 90,- Euro) gekürzt. Lehnen jugendliche Hilfebedürftige bis unter 25 Jahren zumutbare Erwerbstätigkeit oder Eingliederungsmaßnahmen ab, erhalten sie für bis zu 3 Monate keine Leistungen aus dem Hilfesystem.
Für mehr Menschen trocken Brot
All jene Hilfeempfänger werden in der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert sowie in der gesetzlichen Rentenversicherung auf Mindestbetragsbasis versichert. Lächerlich ist die Behauptung, dass finanzielle Härten beim Übergang von ALG in die neue Leistung abgefedert sowie ein auf zwei Jahre befristeter Zuschlag gezahlt werden soll, dessen Höhe nach einem halben Jahr halbiert wird und nach dem Ende des zweiten Jahres entfällt. (Die Rede ist vom Zuschlag von 160,- Euro, bei nicht getrennt lebenden Ehegatten 320,- Euro und pro minderjährigem Kind je 60,- Euro.) Denn 450,- Euro für einen Alleinstehenden würden zwar monatlich ein Jahr lang gezahlt, aber das Wohngeld wird darauf angerechnet. Je mehr ALG II, desto weniger Wohngeld und umgekehrt. Sozialhilfe gibt es daher sofort. „Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe trifft insbesondere Arbeitslose mit Kindern, die bislang eine durchschnittlich um 10 Prozent erhöhte Arbeitslosenhilfe erhalten haben und Arbeitslose, die in Lebens- und Ehegemeinschaften leben. Die Kinder der Arbeitslosen werden zu Sozialhilfeempfängern. Bundesweit werden etwa 500.000 Kinder und Jugendliche betroffen sein.“ 14
1 Eckpunkte für ein Drittes und Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, Berlin, 26. Juni 2003, BWA.
2 Dasselbe
3 Ebenda, S. 1.
4 Ebenda, S. 2.
5 Ebenda, S. 12.
6 Ebenda, S. 15.
7 Ebenda, S. 17.
8 Ebenda, S. 17.
9 Ebenda, S. 19
10 Ebenda, S. 23.
11 Beitrag E. Biehn, BAG SHI, PK 30.6.03.
12 Kaltenborn, B., Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, Wirtschaftsdienst 2003 * 5, S. 299.
13 Ebenda, S. 26
14 Beitrag E. Biehn, BAG SHI, PK 30.6.03
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(12.07.2003) © 2003. Alle Rechte liegen bei den AutorInnen bzw. bei den Publikationen/Verlagen